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Diadem von den Sternen

Diadem von den Sternen

Titel: Diadem von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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den Tod. Dann, zur Mitte des Hochsommers hin, öffnete sie zum ersten Mal wissende Augen und stellte fest, daß ihr Azdar in jener ersten Nacht ein Kind gemacht hatte. Sie lag in diesem Bett, kaum mehr als sprödes, rotes Haar und milchweiße Haut, die sich über vogelartige Knochen spannte, zerbrechlich wie ein ausgetrocknetes Blatt. Azdar besuchte sie täglich. Er pflegte einen Stuhl neben das Bett zu ziehen und sie - die Hände auf die Knie gestemmt - anzustarren. Und immer wieder beugte er sich vor und streichelte ihre dünnen, ausgedörrten Arme und machte sich an ihrem Haar zu schaffen, während sie die Wand anstarrte und ihn nicht beachtete.
    Auch künftig hielt sie ihn sich vom Leibe, wies ihn ab, indem sie ihre Gebrechlichkeit geltend machte. Aber das Fleisch kam wieder auf ihre Knochen, ihre Haut wurde weicher, ihr Haar gewann seinen Glanz zurück, und so hörte er nicht mehr auf sie. Ein weiteres Mal schlief er mit ihr. Und er kam immer wieder, Nacht für Nacht. Sie war ein Durst, der zunahm, sooft er trank. Sie wartete ihre Zeit ab, sammelte ihre Kräfte.
    Ich erinnere mich, daß sie für gewöhnlich stundenlang auf der Brücke stand und in den Raqsidan hinunterstarrte. Wenn sie jemand anzusprechen versuchte, so wandte sie ihm für eine Minute blinde, nach innen gekehrte Augen zu, dann kehrte sie wieder zur Betrachtung des tanzenden Wassers zurück.
    Die Monate vergingen, und das Kind wuchs heran. Noch immer gab ihr Azdar keine Ruhe. Er schien sein eigenes Kind zu hassen, denn die Zeit, in der Shareem ins Tanha gehen würde, nahte schnell, und war dies erst geschehen, so war sie tabu für ihn.
    Sooft es mir möglich war, beobachtete ich sie, aber sie schien sich meiner Existenz nicht bewußt zu sein. Jedenfalls nicht bis zu jenem Tag … Wie gewöhnlich stand sie auf der Brücke. Es war früher Morgen, und die Luft war kühl und sauber und klar … Einer jener Tage, an dem das Blut eines Menschen daraufbrennt, große Dinge zu tun. Ich saß neben dem alten Horan und ließ meine Finger über die Barbat wandern, um dieses Verlangen zu besänftigen. Sie folgte dem Klang. Ohne ein Wort zu sagen, ließ sie sich auf dem Felsen neben mir nieder und lauschte der Musik. Ich zitterte und frohlockte. Stolz floß in meine Hände.
    Nach einer Weile lehnte sie sich zu mir herüber und legte eine Hand auf die meine, gebot mir, innezuhalten, meine schmerzenden Finger ausruhen zu lassen. Wir saßen nebeneinander und lauschten dem Klang des Windes, der die Blätter bewegte, und dem sanften Raunen des Wassers, das an unseren Füßen vorbeieilte. Zum erstenmal spürte ich, daß Frieden in ihr erblühte, eine Lösung des streitenden Durcheinanders von Emotionen, das sie in einem endlosen Strudel herumgewirbelt hatte.
    Eine lange Weile saßen wir dort, bis wir Stimmen den Flußpfad entlangkommen hörten. Sie zog ihre Hand weg, und ich half ihr auf die Füße. Sie lächelte mich an, und dann sagte sie mit ihrer tiefen, samtenen Stimme: ,Dir sei Gnade gewährt, mein Freund.’
    In den nächsten Tagen kam sie oft, um meinem Spiel zuzuhören.
    Anfangs lauschte sie nur, doch mit der Zeit gewann sie Vertrauen zu mir, und wir unterhielten uns, über Kleinigkeiten zuerst, jene Art von Bagatellen, die Fremde zu Freunden werden läßt. Die Sommertage wurden milder und glitten vom hohen Feuer den leichten Abhang zum Herbst hinunter.
    Als der Chang-Monat kam, war die Zeit des Tanha gekommen.
    Eines Abends kam Azdar spät und verstohlen in das Mari’fat. Ich erwachte mit einem nervösen Frösteln und folgte meinem Drang zum Zimmer Ikhtshars, des Doktors. Ich hörte Azdars Knurren sich mit dem Tenor des Doktors in einem leise geführten Streitgespräch abwechseln. Ich lauschte. Azdar schmeichelte und drohte. Und schließlich gewann er. Der Doktor willigte ein, das Kind abzutreiben.
    Als Shareem am nächsten Tag wieder zum Fluß kam, sagte ich es ihr. Sie ging davon und starrte in das klare, grüne Wasser. Ich fühlte mich so hilflos … Stand einfach da, ließ meine Hände hinunterhängen, meine Zunge schien auf die doppelte Größe angeschwollen in meinem Mund zu liegen. Sie drehte sich um und kam wieder zu mir.
    Auf ihrem Gesicht lag ein liebevolles Lächeln, als sie sanft über meine Wange strich. Ich konnte kaum atmen.
    ,Hab keine Angst vor mir’, hauchte sie. ,Ich brauche dich, mein junger Freund. Ich bin hier so allein …’ Ihre Stimme verlor sich, Trauer floß in ihre Augen.
    Ich schluckte, fühlte mich wie ein Narr, weil die

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