Dich und sehr viel Liebe
versucht, wieder einen Mann zu finden, den sie dauerhaft lieben konnte.
Das Grübeln brachte nichts. Es war besser, etwas zu unternehmen, als bis zum Abend tatenlos dazusitzen.
Sie ging zurück in die Eingangsdiele und sah sich in dem vertrauten alten Haus um. Die Fenster mussten geputzt werden. Darum würde sie sich als Erstes kümmern. Mehr noch als der frische Grabstein erinnerten die verstaubten Fenster sie daran, dass die alte Frau wirklich gestorben war.
Kraftlos sank sie auf die unterste Treppenstufe und sah ins Wohnzimmer. Dort lag die Schachtel, die sie während ihres Abschlussjahrs auf der Highschool Gannie geschenkt hatte.
Sie ging hin und öffnete die Schachtel. Der vergoldete Bolzen einer Eisenbahnschiene musste poliert werden, aber die silberne Taschenuhr war fast überhaupt nicht angelaufen. Sie schimmerte, als würde ihr Besitzer jeden Moment die Treppe herunterkommen und sie wieder einstecken. Auch die alte Pfeife lag in der Schachtel. Perri hatte die Gegenstände sorgfältig ausgesucht, die Gannie in diese Schachtel legen sollte. Das war damals gewesen, im Jahr, bevor Perris Welt zerbrach.
Über der Tür zum Wohnzimmer hing ein Bild von Miss Vienna Whitaker und ihrem Sohn Matthew Lawrence Ransom. Das Foto war draußen vor dem kleinen Friedhof aufgenommen worden. Genau dorthin, auf den Grabstein, in den “Stone Baby, 1889” eingraviert war, hatte Perri vorhin die rote Rose gelegt.
Einunddreißig Gräber gab es auf dem kleinen Friedhof neben Gledhill, der keinerlei Bäume oder Büsche besaß. Der einzige Schmuck war der kleine Torbogen über dem quietschenden Eisentor in dem weißen Zaun. Seit der Eingemeindung der kleinen Stadt wurde der Friedhof nicht mehr benutzt, und deshalb war Perri jetzt allein dafür verantwortlich.
Die Veranda, die Bilder, die “Gedenkschachtel”, wie Gannie sie genannt hatte, der kleine Friedhof – das alles rührte Perri und verkörperte die Erinnerungen, die sie bewahren wollte. All das, was ihr immer so viel bedeutet hatte, gehörte ihr jetzt. Aber in der Zwischenzeit hatte sie die Träume von früher aufgegeben.
Langsam ließ sie den Kopf bis auf die Knie sinken und tat das, was sie vor zwölf Jahren vor Stolz nicht hatte tun wollen. Sie weinte hemmungslos. “Oh, Gannie”, schluchzte sie immer wieder.
Gefrorene Gurkenscheiben hatten Perris Augenlider etwas abschwellen lassen. Heute war es für sie eine richtige Herausforderung, sich zu schminken, aber das lenkte sie wenigstens etwas ab. Perri zog sich eines der wenigen dunklen Kostüme an, die sie mitgebracht hatte. Seufzend stieg sie in ihren Wagen und fuhr los. Unterwegs kaufte sie noch einen großen Strauß weißer Rosen.
Sie legte die Blumen auf den Beifahrersitz und fuhr auf Nebenstraßen weiter. Der Himmel wurde allmählich strahlend blau, und es machte Perri Spaß, kleine Ortschaften zu durchfahren und endlose Felder zu passieren. Auch ihr fiel sofort auf, wie kurz der Weizen war. Stirnrunzelnd betrachtete sie die niedrigen Halme, die zu dieser Jahreszeit eigentlich schon goldgelb und mit schweren Ähren beladen sein sollten.
Auf dem Weg zum Friedhof kam Perri durch eine Allee von alten Ulmen. Schließlich blieb sie stehen, stieg aus und legte die Rosen auf Gannies Grab. Trauer, Wut und tiefe Verletzung erfüllten sie. Niemand außer Gannie hatte je ihre Gefühle verstanden.
“Warum hast du es so eingerichtet, dass ich ausgerechnet mit Matt zusammenarbeiten muss?”, fragte Perri flüsternd. “Du weißt, dass ich ihn immer lieben werde. Weshalb setzt du mich dann diesem Schmerz aus?” Was hatte Gannie damit erreichen wollen?
Nachdenklich blickte Perri auf die weißen Rosen.
Perri parkte auf dem großen Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude. Sie kam gerade zur rechten Zeit, und als sie das Büro betrat, nickte die Sekretärin des Notars ihr lächelnd zu. “Gehen Sie bitte gleich hinein, Miss Stone.”
Perri klopfte kurz an und öffnete dann die Tür. Hilf mir bitte, Gannie, flehte sie innerlich, als sie den Raum betrat. “Hallo, John.” Lächelnd begrüßte sie den alten Freund von Gannie.
Der andere Besucher war offenbar etwas früher gekommen. Er wandte ganz betont den Rücken zur Tür. Perri fiel dennoch an seiner Haltung auf, dass er sich hier entspannt fühlte, als sei er hier auf einem Terrain, wo er sich auskannte.
Sie setzte sich auf den Sessel, den der Notar ihr zuwies. Das sah ja alles eher nach einem Krieg des Schweigens aus. Auch gut, dachte sie, dann muss ich mir wenigstens
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