Dichterliebe: Roman (German Edition)
Porsche!« wirft Robert ein. » Ist Ihnen wahrscheinlich aufgefallen. Unser Henry lebt auf großem Gipsfuß.«
» Der Porsche ist uralt, der hat nur sechstausend Mark gekostet! Die Werkstattkosten allerdings sind immens, und die Haftpflichtversicherung – ich wage gar nicht den Brief zu öffnen, sicher wurde die Police erhöht …«
Mein Gott. So viel erlebt in den letzten Jahren, aber mir fällt nichts zum Schreiben ein, die Zeit vertan. Nur noch Nachdichtungen, Fremde, Einsamkeit – Irene träumt auf ihrem Mäuerchen, von Robert gibt’s sowieso nur unverschämte Kommentare, und jetzt steht auch noch Sidonie auf mit der Erklärung, sie sei müde, Stau, lange Fahrt bei glühender Hitze, außerdem habe sie einen Rausch. Einen Rausch, nach anderthalb Gläsern Wein? Robert amüsiert sich. Es ist noch nicht mal dunkel. Eine Spießerin. Wie konnte ich mich so gehenlassen? Diese Sidonie muß mich für einen Idioten halten.
*
Heute etwas besser. Sonderbare Bitte von Dietmar, ob ich Siddharta-Sprüche in Verse setzen mag für ein Musical. Er wisse, es sei unter meiner Würde, aber ob ich eine Ausnahme – fünfhundert Mark … Beigefügt hat er drei zusammengeheftete Blätter. Auf dem Deckblatt steht:
Siddharta heißt: Der sein Ziel erreicht hat
und ausgerechnet ich, dessen Weg sich seit der Geburt immer weiter vom Ziel entfernt hat, soll Siddhartas Vier heilige Wahrheiten in Verse bringen, » am liebsten in Dreiviertel- und Viervierteltakt.« Fünfhundert Mark.
Alles Leben ist Leiden;
alles Leiden hat seine Ursache in der Begierde, im Durst;
die Aufhebung dieser Begierde führt zur Aufhebung des Leidens …
der Weg … ist der heilige achtteilige Pfad, der da heißt rechtes Glauben, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sich-Versenken.
Grauenhafte Sprache, widerlicher Inhalt, jedes Wort auf mich gemünzt, reiner Hohn. Fünfhundert Mark, dringend, selber schuld, schuld, schuld. Ich laufe im Zimmer auf und ab, rauche Kette und trällere Buddhas fünf Gebote:
Töte kein Lebewesen.
Nimm nicht, was dir nicht gegeben.
Sprich nicht die Unwahrheit.
Trinke keine berauschenden Getränke.
Sei nicht unkeusch.
Ich greife zur Flasche.
Es ist töricht anzunehmen, daß ein anderer uns Glückseligkeit oder Elend verschaffen könnte.
Klar.
*
» Schreib doch einen Roman, wenn in der Lyrik nichts mehr kommt!« sagte Kadletz beim letzten Treffen vor einem dreiviertel Jahr. » Das ist einfacher als Verse.«
Offenbar weiß ein Verleger nicht, daß in der Kunst nichts einfach ist. Prosa ist wie eine andere Sprache, wie könnte ich die jetzt noch lernen, zumal in der Fremde? Ich kenne mich nicht aus in dieser neuen Welt. Ja, ich habe sie bewundert, vielleicht sogar ersehnt, aber ich kann nichts zu ihr beitragen, und sie hat keine Aufgabe für mich.
Wir hockten an der chromblitzenden Theke einer Frankfurter Edelbar und erholten uns von der Buchmesse; er von der übermäßigen Inanspruchnahme, ich von der Mißachtung.
» Kopf hoch, Alter!« Er legte mir väterlich den Arm um die Schulter (er ist jünger und kleiner als ich). » Hast du Lust auf einen Ausritt zu Suzie Wong? Wie kann ich dich auf Vordermann bringen?« Jetzt amüsierte er sich über seinen Kalauer. Übrigens ist er durchaus nicht so großzügig, wie er tut. Ins Bordell sind wir nie gegangen, da riskiert er nichts.
» Prosa …«, seufzte ich. » Diese elenden Strecken, das halte ich nicht aus …«
» Prosa kann jeder. Wenn du lange Strecken nicht kannst, mach kurze. Was dir so einfällt. Erfahrungen eines Lyrikers in der DDR : die feinste Kunst der Sprache in den Mühlen des gröbsten Apparats …«
» Ach, was soll schon gewesen sein. Ich habe mich geduckt, um dichten zu dürfen, und begann unwillkürlich, über das Ducken zu dichten. Ich wollte demonstrieren, wie man dichtend sich wegduckt, und habe, indem ich das Ducken verdichtete, mich selbst weggedichtet.«
Ob das stimmte? Kadletz fragte nicht nach; das tut er ohnehin selten. Er balancierte auf seinem Barhocker, saugte an einer Zigarre und machte noch in dieser Erschöpfung Pläne. Er nimmt Scheitern nicht wahr, in jeder Mauer sieht er ein Haus, in jeder Ruine einen Sanierungsknüller.
Er stieß eine Rauchwolke aus. » Dann schreib über die Liebe!«
Weißt du überhaupt, was das ist? dachte ich.
Er hat eine reiche Frau, die seinen Verlag bezahlt, macht in Kunst wegen des Glamours und genießt das Leben; nichts kann ihm
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