Dicke Hose (German Edition)
Zimmern, die noch vor zwei Monaten bei der Besichtigung durch die Schümanns leer und unbewohnt waren. Jetzt quellen sie über vor Kartons, an den Wänden stehen Regale und Kleiderstangen, außerdem gibt es ein paar gemütliche Sitzgelegenheiten. Ein alter Tisch, auf dem eine Kasse thront, rundet den stilistischen Wirrwarr ab.
Aber Victoria bleibt keine Zeit, sich umzusehen, denn ich gebe das Tempo vor und eile in die Küche. Bei unserem Eintreten verstummt das Gelächter. Vor uns bietet sich das wohl ungewöhnlichste Bild, das man sich je von einem Vorstellungsgespräch gemacht hat. In gemütlicher Runde, bei Kaffee und Kuchen, sitzen Lotti und Bruno Lembke mit dem so gar nicht mehr mafiös aussehenden Ernesto Micolucci.
Victoria bleibt wie angewurzelt im Türrahmen stehen. «Ich dachte, Sie sind in Italien» ist das Erste, was ihr über die Lippen kommt, als sie ihren Chef erblickt. Dann registriert sie die Lembkes: «Oh, guten … Tag.» Ihre Stimme ist nur mehr ein Hauchen. Komplett verunsichert lässt sie ihren Blick durch die Küche wandern.
Inzwischen stehen hier etwa sechs kleine Bistrotische, von denen anlässlich des heutigen Kaffeetrinkens drei zusammengeschoben wurden, um genug Platz für alle zu bieten. Der Rest der Küche ist unverändert. Ein paar Kerzen und eine gedimmte Deckenleuchte verleihen dem Raum mit den wundervollen Bodenfliesen eine gemütliche Atmosphäre.
«Frau Wendt, wie schön, dass Sie gekommen sind!» Ernesto Micolucci erhebt sich, um seine Mitarbeiterin zu begrüßen.
Dies ist Victorias letzter Monat bei Miucci. Sie ließ sich nach wie vor nicht dazu überreden, weiterhin gemeinsam mit Florian im Laden zu arbeiten. Nach ihrer endgültigen Ablehnung hat Signor Micolucci zunächst krampfhaft versucht, eine Nachfolgerin für sie zu finden. Es gab auch ein paar Vorstellungsgespräche, mit denen der Chef allerdings nicht zufrieden war. Irgendwann entschied er sich, den Posten an Kai zu vergeben. Außerdem stellte er zwei weitere Verkäuferinnen ein, die wiederum Kai unterstützen sollten.
Was den Laden betrifft, war Ernesto Micolucci mit der Entscheidung letztlich zufrieden. Allerdings fehlte ihm nun jemand, der ihn bei seinem Plan unterstützte, eine weitere Filiale in Hamburg zu eröffnen, in der ausschließlich die Eigenmarke Miucci vertrieben werden sollte. Er brauchte eine Vertrauensperson, die den neuen Laden leiten würde. Ein kleines, exklusives Geschäft in einem hippen Wohnviertel stellte er sich vor, mit einem außergewöhnlichen Konzept: Die Verkaufsräume sollten fast wie eine Wohnung anmuten. Ein Geschäft, in dem sich auch Männer wohlfühlen, weil es nicht wie ein Luxusstore daherkommt.
An dieser Stelle kam ich ins Spiel. Ich machte Signor Micolucci den Vorschlag mit der Lembke-Villa. Und nach zwei Besichtigungsterminen, einigen statischen Untersuchungen und einem ausgiebigen Gespräch mit den Lembkes kaufte Ernesto Micolucci das gesamte Haus. Den oberen Teil bewohnen nach wie vor die Möhre und ihr Mann, die beiden unteren Geschosse der Villa werden zum Miucci-Store umgebaut.
Die Lembkes waren außer sich vor Freude. Lotti plant, in ihrer kleinen Küche Kaffee, ein paar Snacks und Bizzelwasser für die Kunden anzubieten. Bruno wird notwendige Hausmeistertätigkeiten übernehmen und im Sommer für einen Garten zum Verweilen sorgen. Alles scheint perfekt. Nur die Mitarbeiter fehlen noch immer.
Bevor Ernesto Micolucci eine Anzeige schalten wollte, beschloss er, es noch einmal bei Victoria zu versuchen. Sie soll den Laden wie einen eigenen führen. Gemeinsam mit Kai entstand so die Idee mit der Annonce.
«Kann mir jetzt mal bitte einer erklären, was das hier zu bedeuten hat?», fordert Victoria, sichtlich bemüht, die Fassung zu wahren. «Ich dachte, dies soll ein Vorstellungsgespräch sein.»
«Ist es auch», entgegnen alle wie aus einem Mund.
Als Victoria schon wieder die Stirn runzelt, fügt die Möhre hinzu: «Nun setzen Sie sich doch erst mal, Kindchen, sonst kippen Sie mir noch um.» Sie deutet auf einen freien Platz.
Sofort schenkt ihr Mann Kaffee in eine leere Tasse. Aber Victoria rührt sich nicht.
Stattdessen platzt jetzt Kai herein. «Bin ich zu spät?», ruft er aufgeregt und schaut erwartungsvoll in die Runde. Ehe jemand etwas sagen kann, entrüstet sich Victoria: «Du steckst auch hinter diesem Komplott?»
«Na ja … Alex hat natürlich einiges an Überredungskunst aufbringen müssen, um mich zu überzeugen. Aber dann – nun ja, ich stecke
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