Dicke Hose (German Edition)
Gesicht.
Sehr witzig. Der will mich doch loswerden, der alte Hund. Das Objekt, wie es hier genannt wird, ist unsere Karteileiche. Ein altes Haus, mitten in der Hafencity. Absolut unverkäuflich. Bislang fand sich jedenfalls kein Käufer, der auf die Bedingungen der Eigentümer eingehen mochte. Aber da meine ängstlichen Streberkollegen sich auch hierbei nicht in die Karten gucken lassen, weiß ich leider keine Einzelheiten. Die Sache war mir von Anfang an nicht so recht geheuer. Denn mal ganz ehrlich: Wenn Friedrich von Klatt 150 Punkte für den Verkauf eines Objekts vergibt, dann hat die Sache einen Haken. Und zwar einen gewaltigen.
Allerdings sieht es jetzt so aus, als sollte ich mich doch mal mit dem Objekt befassen. Nur eben nicht in der nächsten Woche.
«Äh … Ab Montag fahre ich für zehn Tage mit einem Kumpel in den Urlaub», gebe ich zerknirscht von mir. «Skifahren in Österreich. Aber gleich danach gebe ich wieder richtig Gas.»
Kurz überschlage ich, ob es sich überhaupt noch lohnt zu kämpfen, aber soweit ich weiß, gibt es ein paar Kollegen, die sooo viel besser auch nicht dastehen. Selbst wenn ich das Objekt nicht loswerde, dürften ein oder zwei Abschlüsse in diesem Jahr noch reichen, um wieder dabei zu sein. Vielleicht katapultiert mich das nicht unbedingt ganz nach vorn, aber immerhin auch nicht auf die Straße.
«Zehn Tage haben Sie frei? Wer hat das denn genehmigt?»
«Sie selbst.»
«Ach.» Übersprungartig beginnt mein Chef aufs Neue, seine Papiere in Ordnung zu bringen. «Na, Sie müssen ja wissen, was Sie tun. Also, legen Sie los und sehen Sie zu, dass Sie die Kurve kriegen!»
Zerknirscht verlasse ich Friedrich von Klatts Zimmer und schlendere durch das beinahe leere Großraumbüro zu meinem Platz. Die meisten Kollegen befinden sich offensichtlich bei auswärtigen Terminen. Ihre Schreibtische sind aufgeräumt und die Computer ausgeschaltet. Nur an ein paar Tischen wird so getan, als würde gearbeitet. Dabei ist sicher niemandem das Gebrüll vom Chef entgangen.
«Na, Alex, hast du einen Einlauf bekommen?»
Marcel macht sich gar nicht erst die Mühe, Diskretion vorzutäuschen. Mit gespielter Lässigkeit fläzt er sich in seinem Bürostuhl und verschränkt grinsend die Arme vor der hageren Brust. An Marcel ist alles hager, die Beine, die Brust, sogar sein Kopf ist irgendwie schmal und seltsam in die Länge gezogen. Ein bisschen erinnert er an Lucky Luke, den Comic-Helden, nur dass der Cowboy witzig und cool ist. Eigenschaften, die Marcel vollkommen abgehen. Ihn prägt eigentlich nur eine Eigenschaft: Er ist schwul. Den meisten meiner Kollegen ist er egal, aber ich hasse ihn. Nicht wegen seiner sexuellen Neigung oder der intergalaktischen Klamotten, die er trägt, sondern weil er den ersten Platz auf dem Score belegt. Und zwar zu Unrecht, wie ich finde. Die Spitzenposition hat er sich nämlich nur durch sein albernes Tuntengesabbel ergattert. Vermutlich schließt er sich bei seinen Wohnungsbesichtigungen regelmäßig mit den Damen auf der Toilette ein und schwadroniert über Gesichtscremes. Wie genau er dann die Männer rumgekriegt hat, weiß ich nicht. Aber manches möchte man auch gar nicht so genau wissen.
Und was ich außerdem nicht möchte, ist, mit meinem schwulen Kollegen über einen Einlauf zu diskutieren.
«Ach, nicht der Rede wert», sage ich deshalb knapp und bin auch schon fast an ihm vorbei. «Es ging eigentlich nur um einen … äh … Spezialauftrag.»
Marcel, der sich eine Serviette ins karierte Oberhemd gesteckt hat und gerade im Begriff ist, sich mit spitzen Fingern ein Sandwich auszuwickeln, das von den Farben haargenau zu seinen Klamotten passt, hält in der Bewegung inne. «Ach», sagt er und sieht von seinem Schreibtisch auf.
«Ach», mache ich und starre angewidert auf seine bunte Stulle. Können Schwule sich nicht mal ein stinknormales Wurstbrot schmieren? Muss es denn immer gleich ein farbenfrohes, mehrstöckiges Kunstwerk aus Lachs, Meerrettich und Grünzeug sein, das ihr Essen zu einem politischen Statement werden lässt?
«Und was soll das für ein Spezialauftrag sein?» Bemüht beiläufig leckt Marcel sich den manikürten Zeigefinger ab.
Obwohl mich der Anblick ekelt, verharre ich vor seinem Schreibtisch. «Es geht um … das Objekt» , sage ich und gebe meiner Stimme einen geheimnisvollen Unterton. «Sehr wahrscheinlich werde ich es noch diesen Monat verkaufen. Und du weißt ja, wie viele Punkte das auf im Score ergibt.» Zufrieden beobachte
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