Dicke Hose (German Edition)
austrinke, ehe ich in die Knie gehe, um ihm zu helfen. «Flo?» Ich zerre an seinem Kragen. «Flo, hörst du mich?»
Wieder nur undeutliches Gemurmel. Zahlreiche Gäste sind herangeeilt. Hilfesuchend blicke ich hoch zum Tresen.
«Ich rufe einen Krankenwagen», sagt Ben, der offenbar eine gewisse Routine mit zusammenbrechenden Gästen hat. Er schnappt sich das Telefon und fragt nebenbei: «Atmet er noch?»
Ich halte Flo testweise die Hand vor die Nase. «Ja … ein bisschen.»
«Was soll das heißen, ein bisschen ? Ja oder nein?» Ben kommt um den Tresen gelaufen und vergewissert sich selbst.
Gemeinsam richten wir Flo so weit auf, dass er an den Tresen gelehnt sitzen kann. Seine Hand hält er weiterhin auf die Brust gepresst. Ich wünschte, ich könnte etwas Entspannendes sagen, aber ich bin ein Mann, und deshalb fällt mir nichts ein außer: «Flo, hast du einen Herzinfarkt?»
Ben schiebt mich beiseite. «Mann, Alex, woher soll er denn das wissen? Und jetzt lass endlich seinen Kragen los, sonst bringst du ihn noch um.»
Erschrocken nehme ich meine Finger von Florian. Zum Glück hört man bereits die Sirene des Krankenwagens, sodass ich aufspringe und Ben dabei helfe, die neugierigen Gäste zu verscheuchen und den Weg für die Rettungskräfte frei zu machen.
Fünf Minuten später kümmern sich zwei Sanitäter um Florian. Sie legen ihm eine Kochsalzinfusion, hieven ihn auf eine Trage und befragen ihn nebenbei eindringlich nach seinen Beschwerden. Doch es ist nach wie vor nichts aus Florian herauszubekommen.
«Ich … kann … hier nicht weg», stammelt Ben, dem der Schreck jetzt doch anzusehen ist. «Fährst du mit ihm, Alex?»
Ich nicke stumm. «Klar. Mache ich.» Ich bin genauso geschockt wie Ben, und der Gedanke, jetzt in ein Krankenhaus fahren zu müssen, lässt bei mir Angstschweiß ausbrechen.
Zum Glück schüttelt einer der Sanitäter den Kopf. «Ich würde Ihnen davon abraten. Es sieht nicht lebensbedrohlich aus, und im Krankenhaus werden jetzt erst einmal alle notwendigen Untersuchungen veranlasst. Danach wird Ihr Freund schlafen. Kommen Sie am besten morgen Vormittag. Sicher geht es ihm dann bereits besser.» Er wirft einen vielsagenden Blick auf die Schnapsgläser, die Ben gerade vom Tresen räumt. Aber Alkohol kann wohl kaum die Ursache für Flos Zusammenbruch sein. Ich erinnere mich noch sehr gut an weit schlimmere Abende. Florian kann deutlich mehr ab. Er ist ein Kämpfer.
Gerade versucht er, sich aufzurichten. «Alex …», krächzt er tonlos, und ich komme mir vor wie in einer Folge Doctor’s Diary . Gleich wird mein Kumpel sagen: «Wenn ich es nicht schaffe, kümmerst du dich dann um Natasha?»
Doch Flo sagt zum Glück etwas anderes, nämlich: «Kein Wort hierüber zu meiner Familie. Die regen sich nur unnötig auf.»
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4. Kapitel
Als ich am nächsten Morgen gegen elf Uhr aufwache, glaube ich zunächst, schlecht geträumt zu haben. Diffuse Bilder eines Notarzteinsatzes tauchen vor meinem geistigen Auge auf, vermischen sich mit Kater und Kopfschmerz und verschwinden gleich darauf wieder. Erst nach einem extrastarken Kaffee fallen mir die Ereignisse des Vorabends wieder ein.
Das war kein Traum! Mein Kumpel hatte einen Herzanfall! Und statt mir gemütlich ein paar Brötchen zu schmieren, sollte ich besser in die Klinik fahren und nach Florian sehen. Wie konnte es nur zu diesem Zusammenbruch kommen? Haben Flo und ich tatsächlich schon das Alter erreicht, in dem man mit Herzproblemen rechnen muss? Wir sind doch noch nicht mal vierzig! Und Florian spielt sogar Golf!
Andererseits bietet wöchentliches Caddiefahren durchs Grüne natürlich keine ausreichende Infarktprophylaxe. Um sich fit zu halten, muss man körperlich schon etwas mehr leisten. Trotzdem – der klassische Kandidat für einen Herzkasper ist Flo nun wirklich nicht. Viel zu dünn und agil. Ob es vielleicht mit diesem Anruf zusammenhängt, den er gestern erhalten hat? Danach wirkte er jedenfalls ziemlich angespannt. Und dass Stress für uns Männer tödlich sein kann, weiß ja nun wirklich jeder. Nicht auszuschließen, dass ich das nächste Opfer bin. Immerhin habe ich einen stressigen Beruf. Und spiele nicht mal Schach!
Wie auf Bestellung verspüre ich ein Ziehen in der linken Brusthälfte. Kammerflimmern? Eine verstopfte Arterie? Wann war eigentlich mein letzter Gesundheitscheck? Hatte ich überhaupt schon mal einen? Sollte ich womöglich mit dem Kaffeetrinken aufhören?
Ich kippe die Tasse aus
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