Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
konnte. So hatte ich zum Beispiel immer gedacht, die Welt sei eine Schüssel voll Wasser, in der ein paar Inseln schwimmen. Von Macs Rücken aus sah ich, daß die Welt eine riesige Kugel war, zum Teil mit Wasser bedeckt, zum Teil mit ausgedehnten Kontinenten. Ich hatte nicht für möglich gehalten, daß es so viel Land an einem Stück geben könnte. Manchmal segelten wir wochenlang über weite Ebenen, ohne das Meer zu sehen. Zum ersten Mal sah ich gewaltige Bergmassive, große Flüsse, Seen und Urwälder. Mac überflog mit mir die Polkappen, und ich staunte nicht schlecht über die Gebirge aus purem Eis. Ich sah den Dschungel, ein grünes und endloses Meer aus Riesenbäumen, durch deren Blätterdach gelegentlich die Köpfe von feuerspeienden Drachen lugten. Wir umkreisten tätige Vulkane und wärmten uns an den Hitzewellen, die von ihren gewaltigen Feuersäulen ausgingen.
    Mac zeigte mir Wüsten, manche aus Sand, manche aus vielfarbigen Felsen. Und er wurde nicht müde, mir die geologischen Zusammenhänge zu erklären. Er erläuterte mir Alpengletscher und Torfmoore, Treibsandsümpfe, Wattenmeere und Erdbebenspalten. Macs Sicht auf die Welt war vorwiegend beruflicher Natur, für ihn lungerte hinter allem die Gefahr. In Mooren, Sümpfen und Erdspalten konnte man versinken, Gletscherlawinen konnten einen überrollen, im Wattenmeer lauerte der nasse Tod. Wenn wir einen Wald überflogen, kontrollierte Mac ihn mechanisch auf gefährliche Tier- und Dämonenarten und berechnete die Brandgefahr durch Austrocknung; Flüsse untersuchten wir auf Piranhabevölkerung (man wirft einfach einen toten Fisch hinein; brodelt das Wasser, stellt man eine Warntafel auf); Meere auf die Anwesenheit von Haien und Seen auf Wasserschlangen, Mordmolche und Riesenkrokodile. Ein im Licht der untergehenden Sonne treibender Eisberg war für Mac kein atemberaubender Anblick, sondern eine Gefahr für die Seefahrt, ein Urwaldwasserfall keine willkommene Erfrischung, sondern eine Bedrohung für unerfahrene Flußfahrer, ein Wolkengebirge über einer karibischen Insel kein Gemälde der Natur, sondern die Ankündigung eines tropischen Taifuns. Selbst eine tote Wüste konnte sich unter Macs strengem Blick als Todesfalle voller Gefahren entpuppen: giftige Gila-Echsen, Riesenspinnen und Elektro-Skorpione, die unter Steinen lungerten, Luftspiegelungen, die Leichtgläubige in die Irre führten, und Sonnenstiche, die einen um den Verstand bringen konnten.

    Ein Meer ohne Wind konnte genauso gefährlich sein wie die stürmischste See, es verdursteten vielleicht mehr Seeleute in Flauten, als sie in Orkanen ertranken. Macs mürrische Art war das Resultat seiner täglichen Sorgen um alles und jeden, jede große oder kleine Befürchtung hatte ein Fältchen in seine Haut gegraben und ihn zu einer lebenden Landkarte der Besorgnis gemacht.
    Die Rettungssaurier kontrollierten die Welt nach einem komplizierten Wechselschichtsystem, das ich nie ganz verstanden habe. Sie hatten den ganzen Planeten in Planquadrate aufgeteilt, von denen jeder Pterodaktylus eines überwachte. Nach einem gewissen Zeitraum wurden die Quadrate neu aufgeteilt, damit keine Langeweile aufkam. Gelegentlich traf sich Mac mit dem einen oder anderen Saurier auf einem kargen Felsgipfel. Ich stand dann meistens verschüchtert daneben, wenn sie Rettungstips, Sauriertratsch, Informationen über die Planquadratsverteilung und ein paar steife Witze austauschten. Alle Rettungssaurier waren eingefleischte Einzelgänger, geselliger Umgang war ihre Sache nicht, da machte keiner eine Ausnahme.
    Ich hatte mittlerweile mächtig abgenommen. Während unserer Langstreckenflüge machte ich auf Macs Rücken Frei- übungen: Liegestütze, Knie- und Rumpfbeugen. Ab und zu hängte ich mich an seine Krallen und machte Klimmzüge. Mac sorgte für die passende Ernährung. Er setzte mich auf irgendeinem hohen Baumwipfel oder auf der Spitze eines Bergmassivs ab, flog weg und kam mit einem Schnabel voller Obst und Gemüse zurück. Schweigend kauten wir es und genossen den Ausblick. Bald hatte ich mein altes Gewicht wieder und ein paar Muskeln dazu.
    Ich habe nie ganz rausgekriegt, woher Mac wußte, daß jemand in Gefahr war. Es war wohl ein Instinkt. Wir flogen meistens ziellos durch die Gegend, bis Mac plötzlich leicht den Kopf hob und mit dem Flügelschlag aussetzte. »Es gibt Arbeit!« sagte er dann und änderte den Kurs. Wenn wir im Zielgebiet angekommen waren, erledigte ich die Feinarbeit, ich lotste Mac auf den Millimeter

Weitere Kostenlose Bücher