Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
zur letzten Sekunde. Für das aufopfernde Verhalten dieser Flugechsen gibt es keine befriedigende wissenschaftliche Erklärung. Pterodaktylen sind prinzipiell wortkarg und auskunftsunwillig und liefern keine Erklärungsmodelle für ihr Verhalten. Man nimmt aber an, daß es mit dem bevorstehenden allgemeinen Aussterben der Dinosaurier zusammenhängt. Da Dinosaurier außer Fressen und Gefressenwerden keinen erinnerungswürdigen Beitrag zur Geschichte geliefert haben, bemühen sich die Pterodaktylen, ihre Gattung durch ihre Hilfsbereitschaft im allgemeinen Bewußtsein zu verankern.
In meinem Fall etwa hatte Mac schon seit Tagen über der Insel seine Kreise gezogen, er wußte genau, was mir blühte. Er hätte mich bequem viel früher da rausholen können, aber nein - er mußte bis zur letzten Sekunde warten.
»Du bist ganz schön fett. Hast ordentlich zugelangt da unten, was?« fragte Mac, ohne mich anzusehen.
Ich errötete.
»Verdammte Wasserpflanzen!« stieß Mac angewidert aus und spuckte unter sich in den Ozean. »Ich hasse diese Biester. Mußte dieses Jahr schon einen Haufen Leute vor ihnen retten. Es gibt immer wieder ein paar Idioten, die auf ihre billigen Tricks reinfallen.«
Ich errötete noch mehr.
»Laß dir das eine Lehre sein!« empfahl mir Mac. »Auf dieser Welt gibt's nichts umsonst! Nicht mal das Essen.« Ich gelobte, mir das zu merken.
Am Horizont ragte von einer Insel eine hohe Felsnadel empor. Mac hielt genau darauf zu.
»Dieser Planet ist voller Gefahren«, rief Mac in den Fahrtwind. »Man muß ganz schön aufpassen, daß es einen nicht erwischt. Immer die Augen offenhalten!« Er segelte mit kräftigen Flügelschlägen Richtung Felsspitze.
»Äh ...«, versuchte ich zu sagen.
Mac hörte nicht zu. »Immer auf dem Kiwief! Das ist mein Motto! Nur eine Sekunde unachtsam - und schon kriegt man eine verpaßt!«
Wir sausten mit Hochgeschwindigkeit auf die Felsnadel zu. Noch zwei Flügelschläge, und wir würden dagegenkrachen. »Vorsicht!« schrie ich. »Ein Fels!«
Mac kniff zuerst die Augen zusammen, dann riß er sie weit auf.
»Hooooh!«, brüllte er und zog steil hoch. Nur wenige Zentimeter rauschten wir über die Felsspitze hinweg.
Einige Minuten lang herrschte betretenes Schweigen. Dann räusperte sich Mac.
»Das war ... ähäm ... sehr gut, mein Junge! Du hast scharfe Augen.«
Er räusperte sich noch mal.
»Ich werde dir jetzt ein Geheimnis verraten ..., aber du mußt bei allem, was dir heilig ist, schwören, daß du niemandem davon erzählst!«
Ich hätte alles für ihn getan. Er hatte mir das Leben gerettet. »Weißt du, um meine eigenen Augen ist es nicht mehr so gut bestellt. Ich bin mit den Jahren, äh, ziemlich kurzsichtig geworden. Ich bin schließlich schon 3000 Jahre alt.« Ob das stimmte, weiß ich bis heute nicht. Rettungssaurier neigen zur Übertreibung.
»Aber behalt das bloß für dich! Wenn meine Kollegen das mitkriegen, bin ich in Rettungssaurierkreisen erledigt!«
Er seufzte.
»Es ist so ... ich habe noch ein Jahr, dann gehe ich in Pension. So lange muß ich noch durchhalten. Es wird aber immer schwerer. Dich habe ich eigentlich nur gesehen, weil du so ungewöhnlich blau und fett bist.«
Mac drehte seinen Kopf zu mir, so daß ich direkt in seine trüben Augen sehen konnte.
»Hör zu, Junge, ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen. Du bleibst für ein Jahr bei mir. Als mein Navigator. Mein Steuermann. Du sagst mir, wo es langgeht. Dafür gibt es freie Kost und Logis. Und du kriegst was von der Welt zu sehen. Dramatische Rettungen in letzter Sekunde. Schöne Jungfrauen in großer Gefahr. Solche Sachen. Was hältst du davon?«
5.
Mein Leben
als
Navigator
B evor ich meine Stellung als Navigator antrat, besorgte mir Mac meine Berufskleidung. Wir bewegten uns normalerweise in Höhen, wo die Luft sehr dünn und empfindlich kalt war, selbst wenn man ein Bärenfell trug. Mac setzte mich auf einem Berggipfel ab, verschwand für zwei Stunden und kam mit zwei Kleidungsstücken zurück, einem dicken roten Pullover und einer dunkelblauen Hose. »Die habe ich auf einem Bauernhof besorgt«, sagte Mac. »Sie hingen zum Trocknen auf der Leine. Ich würde es nicht als Diebstahl betrachten. Vielleicht retten wir dem ursprünglichen Besitzer dieser Kleider irgendwann mal das Leben.«
Wenn man die Dinge von oben betrachtet, erkennt man die großen Zusammenhänge. Ich lernte in meinem Jahr als Macs Navigator eine Menge, was ich in meinem späteren Seebärleben gut gebrauchen
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