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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Stock meine Berechnungen in den Sand.
    Nachtigallers Fata-Morgana-Forschungen haben ergeben, daß sich Luftspiegelungen immer exakt bei 9,2 Zentimetern über der Erde aufhalten. Diese Flughöhe ist konstant, anders als die Lage in horizontaler Richtung, die instabil ist. Wenn man diese 9,2 Zentimeter mit einem Klebstoff oder ähnlichem anfüllen könnte, würde die Fata Morgana am Wüstenboden festbacken - so sah es zumindest mein Plan vor. Es war meiner Ansicht nach alles nur eine Frage exakter wissenschaftlicher Berechnung:
    Anhand der Windrichtung, des Standes der Sonne, der Temperatur, Luftfeuchtigkeit und der Informationen der Gimpel über die Beschaffenheit des Sandes und meiner Kenntnisse über Gravitation, Geophysik, Meteorologie und Gastronomie (in die das Karamelisieren von Zucker ja eigentlich gehört) konnte ich exakt voraussehen, wo und wann in diesem Tal in den nächsten Tagen eine Zuckerschmelze stattfinden würde. Da die Schmelzen immer am niedrigsten Punkt einer Senke stattfanden, war es noch das einfachste, diese Stelle zu ermitteln.
    Komplizierter war es, zum richtigen Zeitpunkt Anagrom Ataf über diesen Punkt zu treiben, ohne selber Opfer der Zuckerschmelze zu werden.
    Mein Plan sah vor, die Stadt von allen Seiten zu umzingeln. Als am nächsten Nachmittag die Temperatur den höchsten Stand der letzten Wochen erreichte und die Luft schon seit Stunden völlig stillstand, beschloß ich zu handeln. Wenn eine Zuckerschmelze stattfinden würde, dann in der nächsten Stunde. Die Gimpel, bewaffnet mit ihren Musikinstrumenten, hatten von mir die Anordnung bekommen, sich nachts in einem großen Ring um die Stadt im Sandboden einzugraben. Da harrten sie, vermutlich auf Gimpkügelchen kauend, geduldig meiner Befehle.
    Ich selbst saß auf meinem Hochsitz, ausgerüstet mit einer primitiven Mischung aus Sprachrohr und Trompete, die ich mir aus einem vertrockneten Kaktusarm gebastelt hatte.
    Mit den Gimpeln hatte ich fünf Signale verabredet.
    TUUUUUT!
    Die Gimpel auf der Südseite verließen ihre Löcher und marschierten in breiter Formation auf Anagrom Ataf zu. Erwartungsgemäß wich die Stadt zurück, im gleichen Tempo, in dem die Gimpel auf sie zumarschierten.
    TUUUUT-TUUUUUUT!
    Die Gimpel auf der Nordseite buddelten sich frei, formierten sich und gingen langsam auf die Stadt zu. Anagrom Ataf war, sofern man einer Stadt eine Empfindung unterstellen kann, irritiert. Während beide Gruppen mit unvermindertem Tempo auf sie zumarschierten, zitterte sie zwischen östlicher und westlicher Richtung hin und her, offensichtlich unentschlossen, wohin sie das Weite suchen sollte. Dann entschied sie sich dafür, zügig nach Westen davonzuschweben.
    TUUUUUT-TUUUUUUT-TUUUUUT!
    Die westliche Abteilung kroch aus der Wüstenerde, bildete eine breite Gimpelkette und setzte sich in Marsch. Sofort änderte die Fata Morgana die Fluchtrichtung nach Osten.
    TUUUUT-TUUUUT-TUUUUUT-TUUUUUUT!
    Die östlichen Gimpel wühlten sich aus dem Sand und bildeten schnell die vereinbarte Formation. Anagrom Ataf war in der Falle. Die ganze Luftspiegelung zitterte wie ein riesiger Wackelpudding, unfähig, eine konkrete Richtung einzuschlagen. Die Sonne hatte leicht den Zenit überschritten, die Tageszeit mit der höchsten Bodentemperatur. Ein Gimpel vermeldete die soeben gemessenen Grade: 159. 159! Wir brauchten 160! Uns fehlte ein einziges Grad zur Zuckerschmelze. Ich kletterte vom Gerüst und lief ins Tal.
    In wenigen Minuten würden die Temperaturen wieder sinken. Als ich unten war, klaubte ich einen großen flachen Wüstenstein auf, holte weit aus und warf ihn mit Macht unter die schwebende Stadt, so wie man einen Kiesel übers Wasser treibt. Der Stein prallte zwischen Wüstenboden und Fata Morgana hin und her und schlug einige Funken. In diesem Augenblick explodierte die erste Zuckerluftblase. Die Reibungshitze des Steins hatte für das zusätzliche Grad gesorgt. Die Karamelisierung des Wüstenbodens hatte genau zum richtigen Zeitpunkt begonnen.
    TUUUT-TUUUUT-TUUUT-TUUUUT-TUUT!!!
    Die Gimpel zogen sich auf das letzte Signal hin zügig zurück, um nicht in den sich ständig ausdehnenden Prozeß der Karamelisierung zu geraten.
    Es war wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte von Luftspiegelungen, daß eine halbstabile Fata Morgana mit dem Wüstenboden verschmolz. Daher dürfte auch noch niemand die Geräusche gehört haben, die sich dabei entfalteten. Es war kein sehr würdiges Geräusch, es klang eher ordinär, wie das Furzen eines

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