Die 5 Plage
gesammelt hatte, rief ich Jacobi mit meinem Handy an.
»Ich habe Guttman wieder laufen lassen«, ließ er mich wissen. »Er ist gerade erst mit dem Flieger aus New York gekommen und hatte seinen Wagen im Parkhaus abgestellt, während er verreist war.«
»Alibi?«
»Ist wasserdicht. Jemand anderes hat ihm dieses Mädchen in seinen Caddy verfrachtet. Wie läuft’s bei euch?«
Ich drehte mich um und sah, wie Claire und Bobby die Tote in das zweite von zwei Laken wickelten, um es dann in einen Leichensack zu packen. Das hässliche Geräusch dieses zwei Meter langen Reißverschlusses, mit dem das Opfer luftdicht in einem Plastiksack eingeschlossen wird, ist von einer so abscheulichen Endgültigkeit, dass es einen wie ein Schlag in die Magengrube trifft, ganz gleich, wie oft man es schon gehört hat.
Ich hatte selbst das Gefühl, dass meine Stimme traurig klang, als ich zu Jacobi sagte: »Wir packen gerade zusammen.«
12
Es war fast sechs Uhr abends am selben Tag, zehn Stunden, nachdem wir die Leiche gefunden hatten.
Der Stapel Papier auf meinem Schreibtisch war die Auflistung der siebenhundertzweiundsechzig Autos, die in der vergangenen Nacht in das Opera-Plaza-Parkhaus eingefahren waren oder es verlassen hatten.
Seit dem Morgen jagten wir schon sämtliche Kennzeichen und Zulassungen durch die Datenbank, aber noch hatte bei keinem eine rote Lampe geblinkt - nichts, was auch nur ansatzweise erfolgversprechend gewesen wäre.
Caddy-Girls Fingerabdrücke konnten wir auch vergessen.
Sie war nie verhaftet worden, hatte nie an einer Schule unterrichtet oder in der Armee gedient, und sie hatte auch bei keiner Regierungsbehörde gearbeitet.
Vor einer halben Stunde hatten wir ihr Konterfei in digitaler Form an die Presse gegeben, und morgen würde es in allen Zeitungen zu sehen sein - je nachdem, was sonst noch in der Welt passierte.
Ich zog den Gummi aus meinen Haaren, schüttelte meinen Pferdeschwanz und stieß einen tiefen Seufzer aus, der die Papiere auf dem Tisch vor mir aufflattern ließ.
Dann rief ich Claire an, die immer noch unten im Leichenschauhaus war.
Ich fragte sie, ob sie Hunger hätte.
»Wir treffen uns in zehn Minuten unten auf der Straße«, sagte sie.
Ich begrüßte Claire bei ihrem Privatparkplatz an der McAllister. Sie entriegelte den Wagen, und ich öffnete die Beifahrertür ihres Pathfinder. Claires Tatort-Köfferchen lag auf dem Sitz, zusammen mit einer Wathose, einem Schutzhelm, einer Straßenkarte von Kalifornien und ihrer uralten 35-mm-Minolta.
Ich schaufelte ihr Handwerkszeug auf die Rückbank und kletterte erschöpft auf den Beifahrersitz. Claire warf mir einen taxierenden Blick zu und fing an zu lachen.
»Was findest du denn so lustig, Butterfly?«
»Du hast mal wieder diesen Inquisitorenblick drauf«, antwortete sie. »Aber du musst mir gar nicht die Daumenschrauben anlegen, Baby. Ich hab genau das, was du willst.«
Claire schwenkte einen Stoß Papiere vor meiner Nase, den sie gleich darauf in ihrer Rindsledertasche verschwinden ließ.
Manche Leute denken, Claires Spitzname »Butterfly« kommt daher, dass sie wie Muhammad Ali »schwebt wie ein Schmetterling und sticht wie eine Biene«.
Falsch.
Claire Washburn hat sich einen leuchtend goldenen Monarchfalter auf die linke Hüfte tätowieren lassen.
Ich durchbohrte sie mit meinen Inquisitorenblicken. »Ich kann’s kaum erwarten, dein Urteil zu hören.«
Und da ließ Claire endlich die Katze aus dem Sack.
»Es ist eindeutig Mord«, verriet sie mir. »Die Verteilung der Leichenflecke ist mit einer sitzenden Haltung nicht vereinbar - das heißt, das Opfer wurde bewegt. Und ich habe leichte Blutergüsse an Oberarmen, Brustkorb und Oberbauch festgestellt.«
»Und? Woran ist sie gestorben?«
»Ich tippe auf Burking .«
Der Begriff war mir vertraut.
In den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts machten in Edinburgh zwei charmante Zeitgenossen namens Burke und Hare gute Geschäfte als Leichenbeschaffer. Eine Zeit lang gruben sie Verstorbene aus, um sie an die Medizinprofessoren der Stadt zu verkaufen - bis sie herausfanden, wie leicht es war, frische Leichen zu produzieren: Sie schnappten sich ihre Opfer lebend und setzten sich ihnen auf die Brust, bis sie tot waren.
Burking ist auch heute noch eine beliebte Methode. Mütter mit Wochenbettdepression wenden sie häufiger an, als man glauben mag. Sie stecken das Kind zwischen Sprungfedern und Matratze und setzen sich einfach aufs Bett.
Wenn man den Brustkorb nicht ausdehnen kann,
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