Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
drei verschiedene wissenschaftliche Schulen und psychiatrische Anschauungen.
Wenn es im Falle Schwejk zwischen diesen entgegengesetzten wissenschaftlichen Lagern zu einer völligen Übereinstimmung kam, läßt sich dies nur durch den niederschmetternden Eindruck erklären, den Schwejk auf die ganze Kommission machte. Beim Betreten des Zimmers, in dem sein Geisteszustand geprüft werden sollte, rief er nämlich aus, als er auf der Wand das dort hängende Bild des österreichischen Monarchen bemerkte: »Meine Herren, es lebe Kaiser Franz Josef I.!«
Die Sache war vollkommen klar. Durch die spontane Kundgebung Schwejks entfiel eine ganze Reihe von Fragen, und es bedurfte nur noch einiger der wichtigsten, um aus den Antworten auf Grund des Systems des Psychiaters Kallerson, des Doktors Heveroch und des Engländers Weiking die wahre Geistesverfassung Schwejks festzustellen.
»Ist Radium schwerer als Blei?«
»Ich habs, bitte, nicht gewogen«, antwortete Schwejk mit seinem freundlichen Lächeln.
»Glauben Sie an das Ende der Welt?«
»Zuerst müßt ich das Ende der Welt sehn«, warf Schwejk gleichmütig hin, »ganz bestimmt wern wirs aber morgen noch nicht erleben.«
»Könnten Sie den Durchmesser der Erdkugel ausmessen?«
»Das möcht ich, bitte, nicht treffen«, antwortete Schwejk, »aber ich selbst möcht Ihnen, meine Herren, auch ein Rätsel aufgeben: Es is ein dreistöckiges Haus, in diesem Haus sind in jedem Stock acht Fenster. Auf dem Dach sind zwei Erker und zwei Kamine. In jedem Stock sind zwei Mieter. Und jetzt sagen Sie mir, meine Herrn, in welchem Jahr is dem Hausmeister seine Großmutter gestorben?«
Die Gerichtsärzte blickten einander bedeutungsvoll an, |33| nichtsdestoweniger stellte einer von ihnen noch die Frage: »Kennen Sie nicht die größte Tiefe im Stillen Ozean?«
»Bitte nein«, lautete die Antwort, »aber ich denk, daß sie entschieden größer sein wird als die von der Moldau unterm Wyschehrader Felsen.«
Der Vorsitzende der Kommission fragte kurz: »Genügt?«, aber eines der Mitglieder erbat sich doch noch folgende Frage: »Wieviel ist 12897 mal 13863?«
»729«, antwortete Schwejk, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ich glaube, das genügt vollkommen«, sagte der Vorsitzende der Kommission. »Sie können den Angeklagten wieder abführen, wo er war.«
»Ich danke Ihnen, meine Herren«, sagte Schwejk ehrerbietig, »mir genügts auch vollkommen.«
Nachdem er gegangen war, kam das Kollegium der drei überein, daß Schwejk ein notorischer Blödian und Idiot nach allen von den psychiatrischen Wissenschaftlern erfundenen Naturgesetzen sei.
In dem an den Gerichtsrat abgesandten Bericht stand unter anderem: »Die endesgefertigten Gerichtsärzte stützen sich in ihrem Urteil bezüglich völliger geistiger Stumpfheit und angeborenem Kretinismus des der oben angeführten Kommission zugewiesenen Josef Schwejk auf den Ausspruch: ›Es lebe Kaiser Franz Josef I.‹, der vollkommen genügt, um den Geisteszustand Josef Schwejks als den eines notorischen Idioten erkennen zu lassen. Die endesgefertigte Kommission beantragt daher: 1. Einstellung der Untersuchung gegen Josef Schwejk; 2. Überführung Josef Schwejks zur Beobachtung in die psychiatrische Klinik zwecks Feststellung, wie weit sein Geisteszustand für seine Umgebung gefährlich ist.«
Während dieser Bericht abgefaßt wurde, erklärte Schwejk seinen Haftgenossen: »Auf den Ferdinand ham sie gepfiffen und ham sich mit mir von noch größeren Unsinnen unterhalten. Zum Schluß hamr uns gesagt, daß uns das vollkommen genügt, was wir uns erzählt ham, und sind auseinandergegangen.«
|34| »Ich glaub niemandem«, bemerkte der verhutzelte, kleine Mensch, auf dessen Wiese man zufällig ein Skelett ausgegraben hatte, »es is alles eine Lumperei.«
»Auch diese Lumperei muß sein«, sagte Schwejk und legte sich auf den Strohsack, »wenns alle Menschen mit den andern Menschen gut meinen möchten, tät bald einer den andern erschlagen.«
4
Schwejks Hinauswurf aus dem Irrenhaus
Wenn Schwejk später sein Leben im Irrenhaus schilderte, geschah dies unter ungewöhnlichen Lobpreisungen: »Ich weiß wirklich nicht, warum die Narren sich ärgern, wenn man sie dort einsperrt. Man kann dort nackt auf der Erde kriechen, heulen wie ein Schakal, toben und beißen. Wenn man das irgendwo auf der Promenade machen möcht, möchten die Leute sich wundern, aber dort is es selbstverständlich! Dort gibts so eine Freiheit, wie sich sie nicht mal die Sozialisten
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