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0664 - Der Vampir von Denver

0664 - Der Vampir von Denver

Titel: 0664 - Der Vampir von Denver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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William Chang fischte mit seinen Eßstäbchen geschickt einen gebratenen Hühnerfuß aus der Schale und tauchte ihn in die dunkle Soße.
    »Was wissen wir über unseren neuen Nachbarn?« fragte er die kleine Männerrunde, die sich im ersten Stock eines chinesischen Restaurants versammelt hatte.
    »Nicht viel«, antwortete Liu Qian frustriert. »Er hat ein Antiquitätengeschäft neben Susi's Sushi Bar eröffnet. Vermutlich irgendwelche billigen Touristen-Souvenirs, zumindest sieht der Laden ziemlich heruntergekommen aus. Ansonsten wissen wir nichts über ihn.«
    Quian, der eigentlich ein erfolgreicher Finanzmakler war, aber in der Runde für die Spionage zuständig war, hob die Schultern. »Wir haben natürlich Vermutungen. Er scheint keine Verwandten hier zu haben, ist vermutlich nicht frisch aus China eingereist, da er akzentfreies Englisch spricht, und verfügt über solide Finanzen. Sonst hätte er ein solches Geschäft, selbst wenn es heruntergekommen ist, in diesem Teil der Stadt nicht vorfinanzieren können.«
    Die beiden anderen Chinesen am Tisch, Zwillingsbrüder, die auf die Namen John und Eric Li hörten, nickten zustimmend. Auch sie hatten nichts über den Neuzugang in ihrem kleinen Viertel herausgefunden, und das machte sie nervös.
    Chang steckte den Hühnerfuß in den Mund und saugte genüßlich die weiche Haut von den Knochen.
    »Sehr gut, Chun«, sagte er zu dem älteren Chinesen, der respektvoll neben dem Tisch stand. »Deine Kochkunst ist eine Freude für meine Zunge.«
    Yang Chun verneigte sich leicht. »Du bist zu gütig, William.«
    Innerlich versuchte er, seine Unruhe zu unterdrücken. Er konnte sich nicht erklären, warum die vier mächtigsten Männer des Viertels sich ausgerechnet sein unscheinbares Restaurant für ihre Besprechung ausgesucht hatten. Vor allem, weil die Li-Brüder die Besitzer des größten und bekanntesten China-Restaurants von Denver waren.
    Chuns Verdacht, daß etwas nicht stimmte, bestätigte sich, als William, dem eine große Supermarktkette gehörte, einen freien Stuhl zurückschob. »Setz dich zu uns«, sagte er gönnerhaft. »Vielleicht kannst du uns bei einem Problem helfen.«
    Chun zögerte einen Moment. Er wollte nicht wissen, was diese Männer besprachen, fürchtete sich sogar ein wenig vor ihren Geheimnissen. Gleichzeitig wäre es jedoch eine grobe Unhöflichkeit gewesen, Changs Einladung abzulehnen. Es war nicht gut, den mächtigen Mann zu verärgern. Also schluckte Chun seine Bedenken herunter und nahm mit einem unterwürfigen Lächeln Platz.
    Eric Li goß Reiswein in ein kleines Glas und stellte es vor ihn. »Trink, mein Freund«, forderte er. »Dann redet es sich leichter.«
    Chun merkte, wie er von Minute zu Minute nervöser wurde. Normalerweise gingen diese Männer auf der Straße achtlos an ihm vorbei und grüßten nur, wenn er sie zuerst ansprach. Heute zeigten sie sich jedoch von einer fast schon aufdringlichen Freundlichkeit. Es war klar, daß sie etwas von Chun wollten, nur was?
    »Nun«, ergriff William wieder das Wort, »laß mich dir unser Problem erläutern. Jedes Mal, wenn jemand in unser Viertel zieht, fragen wir uns, ob wir ihn einweihen oder… anders mit ihm verfahren sollen. Wir ziehen Erkundigungen ein, finden heraus, aus welcher Familie er stammt, wer seine früheren Arbeitgeber waren, was seine ehemaligen Nachbarn von ihm halten und so weiter. Nun taucht dieser Antiquitätenhändler hier auf. Wir forschen nach und finden - nichts. Es ist, als sei er gerade erst geboren worden. Keine Freunde, keine Familie, keine Arbeitgeber. Unser Problem, mein Freund, besteht darin, daß wir keine Möglichkeit haben, herauszufinden, ob er vertrauenswürdig ist. Verstehst du?«
    Nur zu gut, dachte Chun und nahm einen Schluck Reiswein, um sich zu beruhigen. Wie seine Eltern und Großeltern auch, war er in dem kleinen chinesischen Viertel geboren worden und kannte die Regeln. Allerdings hatte er auch oft genug die »Neuen« bei der schwierigen Eingewöhnungsphase beobachtet und wußte, daß nicht alle für dieses Leben geeignet waren. Manche versagten…
    Von Verwandten hatte er gehört, daß sich Chinesen auf der ganzen Welt hinter vorgehaltener Hand zuflüsterten, Denver sei auf dem Kopf des Drachen gebaut worden und daher auf ewig verflucht. Sie hatten nicht ganz unrecht…
    »Was würdest du an unserer Stelle machen?« drängte William ihn zu einer Antwort.
    Chun spielte nervös mit seinem Glas. Er empfand es als unangebracht, den mächtigeren Männern

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