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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Eine Fete knacken
    Die sechs Hubbretter bewegten sich zwischen den Bäumen mit der blitzenden Eleganz von Spielkarten, die flach und wirbelnd über den Tisch geworfen werden. Mit gebeugten Knien und ausgestreckten Armen duckten und schlängelten sich die Hubbrettsurfer lachend zwischen den eisschweren Zweigen hindurch. Sie hinterließen eine glitzernde Spur aus kristallenem Regen, winzige Eiszapfen, die von den Kiefernnadeln stoben und im Mondlicht zu brennen schienen.
    Tally nahm alles mit eisiger Klarheit wahr, den scharfen, kalten Wind an ihren bloßen Händen, die sich verändernde Schwerkraft, die ihre Füße auf das Hubbrett presste. Sie atmete den Wald ein und Kieferngeruch, dick wie Sirup, legte sich ihr auf Hals und Zunge.
    Die kalte Luft schien jedes Geräusch schärfer klingen zu lassen. Der Jackenschoß von Tallys Schuluniform knallte wie eine vom Wind gepeitschte Flagge, ihre Griffschuhe quietschten bei jeder Kurve auf der Oberfläche des Hubbrettes. Fausto pumpte Musik durch ihre Hautantenne, doch die war leise im Vergleich zur Außenwelt. Über den hektischen Rhythmus hinweg hörte Tally jedes Zucken ihrer neuen, Monofaser-gestärkten Muskeln.
    Sie blinzelte, die Kälte trieb ihr die Tränen in die Augen, doch die machten ihren Blick nur noch schärfer. Eiszapfen jagten in funkelnden Strichen an ihr vorbei und das Mondlicht färbte die Welt silbern, wie ein alter Schwarz-Weiß-Film, der flackernd zum Leben erwacht.
    Das war das Tolle am Schlitzer-Dasein: Einfach alles war jetzt eisig, als öffne die Welt ihre Haut.
    Shay fegte an Tallys Seite, ihre Finger streiften einander für einen Moment und Shay zeigte ein strahlendes Lächeln. Tally versuchte es zu erwidern, aber etwas verrutschte in ihrem Magen, als sie in Shays Gesicht blickte. Die fünf Schlitzer hatten in dieser Nacht einen verdeckten Einsatz. Die schwarze Iris ihrer Augen war unter trüben Kontaktlinsen versteckt, ihre kantigen grausam-schönen Kiefer wurden von Plastikmasken abgemildert. Sie hatten sich in Uglies verwandelt, denn sie wollten eine Fete im Cleopatra Park knacken.
    Für Tallys Gehirn war es viel zu früh für eine Verkleidungsnummer. Sie war erst seit wenigen Monaten bei den Specials, und wenn sie Shay anblickte, erwartete sie, die neue und fabelhafte grausame Schönheit ihrer besten Freundin zu sehen, nicht die Ugly-Tarnung dieser Nacht.
    Tally kippte ihr Brett seitlich, um einem mit Eis bepackten Ast auszuweichen, und brach damit den Kontakt. Sie konzentrierte sich auf die glitzernde Welt, darauf, ihren Körper und ihr Brett zwischen den Bäumen hindurchzumanövrieren. Die kalte Luft half ihr, sich wieder auf ihre Umgebung zu besinnen statt auf dieses Gefühl von Leere in ihrem Inneren - das daher rührte, dass Zane nicht hier bei ihnen war.
    „Eine Partyladung Uglies vor uns.“ Shays Worte übertönten die Musik, sie wurden von einem Chip in ihrem Kiefer eingefangen und wie ein Flüstern durch das Netzwerk der Hautantennen getragen. „Ganz sicher, dass du schon so weit bist, Tally-wa?“
    Tally holte tief Luft und saugte die gehirnklärende Kälte in sich auf. Ihre Nerven prickelten noch immer, aber es wäre einfach total daneben, jetzt zu kneifen. „Keine Sorge, Boss. Das hier wird eisig.“
    „Sollte es auch. Das ist ja schließlich eine Party“, sagte Shay. „Dann wollen wir doch mal glückliche kleine Uglies sein.“ Ein paar Schlitzer kicherten, als sie einander ansahen. Wieder wurde Tally sich der millimeterdicken Maske bewusst, die ihr Gesicht mit Hilfe von Plastikpickeln und -narben verschandelte und die das wunderbare wirbelnde Netz aus pulsierenden Tätowierungen verbarg. Zahnkronen überzogen ihre rasierklingenscharfen Zähne und sogar ihre tätowierten Hände waren mit falscher Haut besprüht.
    Ein Blick in den Spiegel hatte Tally gezeigt, wie sie jetzt aussah: wie eine Ugly. Unattraktiv, mit krummer Nase, kindlichen Apfelbäckchen und einer ungeduldigen Miene - ungeduldig, weil sie auf ihren nächsten Geburtstag wartete, auf die Blubberkopf-Opi, auf einen Ausflug ans andere Flussufer. Einfach eine ganz normale beliebige Fünfzehnjährige, total Zufall eben.
    Das hier war Tallys erster Einsatz als Special. Sie hatte erwartet, jetzt zu allem bereit zu sein - die vielen Operationen hatten sie mit eisigen neuen Muskeln ausgestattet, mit Reflexen, die ihr ein schlangenrasches Tempo gaben. Und sie hatte zwei Trainingsmonate im Lager der Schlitzer verbracht, hatte in der Wildnis gelebt, mit wenig Schlaf und

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