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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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träumen lassen. Man kann sich dort sogar für den Herrgott oder für die Jungfrau Maria ausgeben, oder für den Papst, oder für den König von England, oder für Seine Majestät den Kaiser, oder für den heiligen Wenzel, obzwar der letztere fort gefesselt und nackt war und in der Isolierzelle gelegen is. Einer war auch dort, der hat geschrien, er is ein Erzbischof, aber der hat nichts anderes gemacht als nur gefressen, und noch was hat er gemacht, mit Vergeben, Sie wissen schon, was sich so bißl darauf reimt, aber dort schämt sich keiner dafür. Einer hat sich dort sogar für den heiligen Cyrill und Method ausgegeben, damit er zwei Portionen kriegt. Und ein Herr war dort schwanger und hat jeden zur Taufe eingeladen. Dann hats dort viel eingesperrte Schachspieler, Politiker, Fischer und Skauts 1 , Markensammler und Amateurphotographen. Einer war dort wegen alten Töpfen, die er Aschenurnen genannt hat. Einer war dort in der Zwangsjacke, damit er nicht ausrechnen kann, |35| wann die Welt untergehn wird. Auch mit paar Professoren bin ich dort zusammengekommen. Einer von ihnen is mir fort nachgegangen und hat mir erklärt, daß die Wiege der Zigeuner im Riesengebirge gestanden is, und der andre hat mir auseinandergesetzt, daß im Innern der Erdkugel noch ein viel größerer Erdball is als obenauf.
    Jeder hat dort sprechen können, was er gewollt hat und was ihm grad auf die Zunge gekommen is, wie wenn er im Parlament war. Manchmal haben sie sich dort Märchen erzählt und sich bißl gerauft, wenns mit einer Prinzessin sehr schlecht ausgefalln is. Am wildesten war ein Herr, der sich für den 16. Band von Ottos Lexikon ausgegeben hat; der hat jeden gebeten, er soll ihn aufmachen und das Schlagwort ›Kartonagennäherin‹ finden, sonst is er herich verloren. Er hat sich erst beruhigt, wenn sie ihm die Zwangsjacke gegeben ham. Dann war er ruhig, weil er geglaubt hat, daß er in die Buchbinderpresse gekommen is, und hat gebeten, daß sie ihn modern beschneiden solln. Überhaupt hat man dort gelebt wie im Paradies. Man kann dort schrein, brüllen, singen, weinen, meckern, stöhnen, springen, beten, Purzelbäume schlagen, auf allen vieren gehn, auf einem Fuß hüpfen, im Kreis laufen, tanzen, den ganzen Tag auf der Erde kauern und auf den Wänden kriechen. Niemand kommt zu euch und sagt: ›Das dürfen Sie nicht machen, Herr, das paßt sich nicht, Sie könnten sich schämen, Sie wolln ein gebildeter Mensch sein?‹ Wahr is aber, daß auch ganz stille Narren dort sind. So war dort ein gebildeter Erfinder, der hat sich fort in der Nase gebohrt und hat nur einmal im Tag gesagt: ›Soeben hab ich die Elektrizität erfunden.‹ Wie ich sag, sehr hübsch wars dort, und die paar Tage, die ich im Irrenhaus verbracht hab, gehören zu den schönsten meines Lebens.«
    Und wirklich, schon der Empfang selbst, der Schwejk im Irrenhaus zuteil geworden war, als man ihn vom Strafgericht zur Beobachtung einlieferte, übertraf seine Erwartungen. Zuerst zog man ihn nackt aus, dann gab man ihm irgendeinen Schlafrock und führte ihn ins Bad, während ihn zwei Wärter vertraulich unter den Armen faßten, wobei ihn einer mit der Wiedergabe einer jüdischen Anekdote unterhielt. Im Badezimmer |36| steckte man ihn in eine Wanne mit warmem Wasser, zog ihn dann heraus und stellte ihn unter eine kalte Dusche. Das wiederholte man dreimal, und dann fragte man ihn, wie ihm das gefalle. Schwejk sagte, daß das angenehmer sei als in dem Bad bei der Karlsbrücke und daß er sehr gern bade. »Wenn Sie mir noch die Nägel und die Haare schneiden wern, so wird mir nichts zu meinem vollkommenen Glück fehln«, fügte er lächelnd und liebenswürdig hinzu.
    Auch dieser Wunsch wurde erfüllt, und nachdem sie ihn noch gründlich mit einem Schwamm abgerieben hatten, wickelten ihn die Wärter in ein Leintuch und trugen ihn in die erste Abteilung ins Bett, wo sie ihn niederlegten, mit einer Decke zudeckten und ihn einzuschlafen baten.
    Schwejk erzählt noch heute mit Liebe davon: »Stelln Sie sich vor, daß sie mich getragen ham, wirklich weggetragen ham, ich war in diesem Augenblick vollkommen glücklich.«
    Und er schlief auch glücklich im Bett ein. Dann weckte man ihn, um ihm einen Topf Milch und eine Semmel vorzusetzen. Die Semmel war bereits in kleine Stückchen zerschnitten, und während einer von den Wärtern Schwejk an beiden Händen hielt, tunkte der andere die Semmelstückchen in die Milch und fütterte ihn, wie man eine Gans mit Stopfnudeln füttert. Als

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