Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Kinderchen, ich bin hier wegen Trunkenheit und unsittlichem Lebenswandel« usw. ohne Unterlaß.
Zum Schluß beruhigte er sich doch ein bißchen, ging zur Tür und begann in sie zu stoßen und mit den Fäusten auf sie zu trommeln. Hinter der Tür ließen sich Schritte vernehmen, und eine Stimme ertönte: »Was wolln Sie?«
»Laßts mich heraus!« sagte er mit einer Stimme, als bliebe ihm keine Lebenshoffnung mehr. »Wohin?« ertönte es fragend von der andern Seite. »Ins Amt«, entgegnete der unglückliche Vater, Gatte, Beamte, Säufer und Lüstling.
Ein Lachen, ein fürchterliches Lachen in der Stille des Korridors, und die Schritte entfernten sich wieder.
»Mir scheint, der Polizist haßt Sie, daß er Sie so auslacht«, sagte Schwejk, während der hoffnungslose Mann sich wieder neben ihn setzte. »So ein Polizist, wenn er Wut hat, kann vieles machen, und wenn er noch größere Wut kriegt, is alles imstand. Sitzen Sie nur ruhig, wenn Sie sich nicht aufhängen wolln, und warten Sie, wie die Dinge sich entwickeln. Wenn Sie Beamter sind, verheiratet und Kinder ham, so is es schrecklich, das geb ich zu. Sie sind wahrscheinlich überzeugt, daß man Sie aus dem Amt entlassen wird, wenn ich mich nicht irr.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, seufzte der Mann, »weil ich mich selbst nicht mehr erinner, was ich aufgeführt hab, ich |42| weiß nur, daß man mich irgendwo hinausgeworfen hat und daß ich wieder hineingehen wollt, um mir eine Zigarre anzuzünden. Aber erst hats so schön angefangen!
Unser Abteilungsvorstand hat seinen Namenstag gefeiert und hat uns in eine Weinstube eingeladen, dann gings in die zweite, in die dritte, in die vierte, in die fünfte, in die sechste, in die siebente, in die achte, in die neunte.«
»Soll ich Ihnen vielleicht zähln helfen?« fragte Schwejk. »Ich kenn mich drin aus, ich war mal in einer Nacht in achtundzwanzig Lokalen. Aber alle Achtung, nirgends hab ich mehr gehabt als höchstens drei Biere.«
»Kurz«, fuhr der unglückliche Untergebene des Vorstands fort, der seinen Namenstag so großartig gefeiert hatte, »als wir etwa in einem Dutzend solcher verschiedener Beiseln gewesen waren, bemerkten wir, daß uns der Vorstand verlorengegangen war, obwohl wir ihn an einem Spagat 1 angebunden hatten und hinter uns führten wie ein Hunterl. So sind wir ihn wieder überallhin suchen gegangen, und zu guter Letzt haben wir uns einer dem anderen verloren, bis ich zum Schluß in einem Nachtcafé auf den Weinbergen, einem sehr anständigen Lokal, einen Likör direkt aus der Flasche getrunken hab. Was ich dann gemacht hab, dran erinner ich mich nicht mehr, ich weiß nur, daß die beiden Herren Polizisten hier auf dem Kommissariat, wie man mich hergebracht hat, schon gemeldet hatten, daß ich betrunken war und mich unsittlich benommen hab. Außerdem soll ich eine Dame verprügelt und mit dem Taschenmesser einen fremden Hut zerschnitten haben, den ich vom Kleiderrechen genommen haben soll. Dann soll ich die Damenkapelle vertrieben und den Oberkellner vor allen des Diebstahls einer Zwanzigkronennote beschuldigt haben. Dann hab ich angeblich die Marmorplatte an dem Tisch, an dem ich gesessen bin, zerschlagen und einem unbekannten Herrn am Nebentisch absichtlich in den schwarzen Kaffee gespuckt. Mehr hab ich nicht gemacht, wenigstens kann ich mich nicht dran erinnern, daß ich noch was angestellt hätt. Und glauben Sie mir, ich bin so ein anständiger, intelligenter |43| Mensch, der an nichts andres denkt als an seine Familie. Was sagen Sie da dazu? Ich bin doch kein Exzedent! 2 «
»Hats Ihnen viel Arbeit gegeben, bevor Sie die Marmorplatte zerbrochen ham?« fragte Schwejk mit Interesse statt einer Antwort, »oder ham Sie sie mit einem Schlag zerdroschen?«
»Mit einem Schlag«, antwortete der intelligente Herr.
»Dann sind Sie verloren«, sagte Schwejk melancholisch. »Man wird Ihnen beweisen, daß Sie sich durch fleißiges Training drauf vorbereitet ham. Und der Kaffee von diesem fremden Herrn, in den Sie gespuckt ham, war Rum drin oder nicht?«
Und ohne eine Antwort abzuwarten, legte er dar:
»Wenn Rum drin war, so wirds ärger sein, weil der teurer is. Bei Gericht wird alles berechnet und summiert, damits zumindest auf ein Verbrechen herauskommt.«
»Bei Gericht …«, flüsterte der gewissenhafte Familienvater kleinlaut, ließ den Kopf hängen und verfiel in den unangenehmen Zustand, in dem Gewissensbisse an einem fressen. 3
»Und weiß man zu Haus«, fragte Schwejk, »daß Sie
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