Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
zurückgeschickt, weil es sich angeblich nicht um Meuterei, sondern um Konservendiebstahl handelt. Und ich hab noch dazu eine andere Nummer draufgegeben, aber wie sie draufgekommen sind, das weiß Gott.« Der Auditor spuckte aus.
»Spielst du noch Karten?« fragte der Feldkurat.
»In Karten hab ich alles verloren; letzthin haben wir mit dem glatzköpfigen Oberst Makao gespielt, und ich hab ihm alles in den Schlund geworfen. Aber ich weiß von einem netten Mädl. Und was machst du, Heiliger Vater?«
»Ich brauche einen Burschen«, sagte der Feldkurat, »vor kurzem hab ich einen alten Buchhalter ohne akademische Bildung gehabt, aber ein Rindvieh erster Klasse. Fort hat er nur geraunzt und gebetet, Gott möge ihn beschützen, so hab ich ihn mit dem Marschbataillon an die Front geschickt. Es heißt, daß das Bataillon ganz aufgerieben wurde. Dann hat man mir einen Kerl geschickt, der nichts anderes gemacht hat, als im Wirtshaus sitzen und auf meine Rechnung trinken. Er war ganz passabel, aber die Füße haben ihm geschwitzt. So hab ich ihn auch mit dem Marschbataillon an die Front geschickt. Heut hab ich bei der Predigt einen Kerl gefunden, der aus Hetz zu weinen angefangen hat. So einen Menschen könnt ich brauchen. Er heißt Schwejk und sitzt auf Nummer 16. Ich möcht gern wissen, warum man ihn eingesperrt hat und ob es nicht zu richten geht, daß ich ihn bekommen könnt.«
Der Auditor suchte in den Schubläden die Akten, die Schwejk betrafen, konnte aber, wie gewöhnlich, nichts finden.
»Hauptmann Linhart wirds haben«, sagte er nach langem Suchen, »weiß der Teufel, wohin bei mir alle Akten verschwinden. Wahrscheinlich hab ich sie zu Linhart geschickt. Gleich telefonier ich hin … ›Halloo, hier Oberleutnant Auditor Bernis. Herr Hauptmann, bitte, haben Sie dort nicht die Akten betreffs eines gewissen Schwejk? – Daß die Akten bei mir sein müssen? Das wundert mich aber. – Daß ich sie von Ihnen übernommen hab? Das wundert mich wirklich. – Er sitzt auf Nummer 16. – Ich weiß, Herr Hauptmann, daß ich Nummer 16 hab. Aber ich hab geglaubt, daß sich die Akten Schwejk |99| irgendwo bei Ihnen herumwälzen. – Daß Sie sich ausbitten, daß ich so mit Ihnen spreche? Daß sich bei Ihnen nichts herumwälzt? – Halloo, halloo …‹«
Auditor Bernis setzte sich an den Tisch und verurteilte erbittert die Unordnung in der Führung der Untersuchung. Zwischen ihm und Hauptmann Linhart herrschte schon lange eine Feindschaft, in der beide überaus konsequent waren. Gelangte ein Akt, der Linhart gehörte, in Bernis’ Hände, verlegte ihn Bernis, daß ihn niemand finden konnte. Linhart tat dasselbe mit den Akten, die Bernis gehörten. Sie verloren einander gegenseitig die Beilagen. 5
(Die Schwejk betreffenden Akten wurden erst nach dem Umsturz mit folgendem Vermerk im Archiv des Militärgerichts aufgefunden: »Hat die Absicht, die heuchlerische Maske abzuwerfen und persönlich gegen die Person unseres Herrschers und unseren Staat aufzutreten.« Die Akten lagen zwischen Akten, die einen gewissen Josef Koudela betrafen. Auf dem Umschlag befand sich ein kleines Kreuz und darunter stand: »Erledigt« und das Datum.)
»Also der Schwejk ist mir verlorengegangen«, sagte Auditor Bernis, »ich werde mir ihn rufen lassen, und wenn er sich zu nichts bekennt, so laß ich ihn frei und laß ihn zu dir bringen, und du machst das schon beim Regiment aus.«
Nachdem der Feldkurat gegangen war, ließ sich Auditor Bernis Schwejk vorführen und ließ ihn bei der Tür stehen, weil grade ein Telefonogramm von der Polizeidirektion eingetroffen war, das besagte, daß das verlangte Material zu der Anklageschrift Nummer 7267, betreffend den Infanteristen Maixner, in der Kanzlei Nummer 1 von Hauptmann Linhart übernommen worden sei.
Inzwischen betrachtete Schwejk prüfend die Kanzlei des Auditors.
Man kann nicht behaupten, daß sie, insbesondere mit den Photographien an den Wänden, einen sehr günstigen Eindruck |100| gemacht hätte. Es waren Photographien verschiedener Exekutionen, die von der Armee in Galizien und Serbien durchgeführt worden waren. Künstlerische Aufnahmen abgebrannter Hütten und Bäume, deren Zweige sich unter der Last von Gehenkten senkten. Besonders gelungen war eine Photographie aus Serbien mit einer gehenkten Familie. Ein kleiner Knabe, Vater und Mutter. Zwei Soldaten mit Bajonetten bewachen den Baum mit den Hingerichteten, und irgendein Offizier steht als Sieger im Vordergrund und raucht eine Zigarette. Auf
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