Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Bajonette könnten wir abnehmen. Er ist doch einer von den Unsern.«
Er hörte auf, Skeptiker zu sein, und seine Seele war von Mitleid mit Schwejk erfüllt. Sie suchten also einen geeigneten Hausflur, wo sie die Bajonette hinunternahmen, und der Dicke erlaubte Schwejk, neben ihm zu gehen.
»Du möchtest rauchen, was?« sagte er, »ob sie dich wohl rauchen lassen werden, bevor sie dich aufhängen«, aber er vollendete den Satz nicht, denn er fühlte, daß es eine Taktlosigkeit gewesen wäre.
Sie rauchten alle, und die Begleiter Schwejks fingen an, ihm von ihren Familien im Königgrätzer Kreis zu erzählen, von ihren Frauen, Kindern, von einem Stückchen Feld, von einer Kuh.
»Ich hab Durst«, sagte Schwejk.
Der Lange und der Kleine blickten einander an.
»Auf ein Bier möchten wir auch gehn«, sagte der Kleine, die Zustimmung des Langen herausfühlend, »aber irgendwohin, wos nicht auffallend wär.«
»Gehn wir zum ›Kuklik‹«, schlug Schwejk vor, »die Bajonette stellt ihr in die Küche, der Wirt Serabona is Sokol 1 , vor dem müßt ihr euch nicht fürchten.
Man spielt dort Geige und Harmonika«, fuhr Schwejk fort, »und es gehn Straßenmädel hin und verschiedene andere feine Leute, die nicht ins Repräsentationshaus 2 dürfen.«
Der Lange und der Kleine schauten einander nochmals an, und dann sagte der Lange: »Also gehn wir hin, nach Karolinenthal is noch weit.«
|110| Unterwegs erzählte ihnen Schwejk verschiedene Anekdoten, und sie traten gutgelaunt bei »Kuklik« ein und taten so, wie Schwejk ihnen geraten hatte. Die Gewehre deponierten sie in der Küche und betraten das Lokal, wo Geige und Harmonika den Raum mit Klängen des beliebten Liedes erfüllten: »Ja in Pankrác, auf den kleinen Hügel, führt ein hübscher kühler Weg …«
Irgendein Fräulein, das einem abgelebten Jüngling mit glattfrisiertem Scheitel auf dem Schoß saß, sang mit heiserer Stimme: »Hab ein Mädel aufgegabelt, und ein anderer geht mit ihr.«
Bei einem Tisch schlief ein betrunkener Sardinenverkäufer, von Zeit zu Zeit wachte er auf, schlug mit der Faust auf den Tisch, murmelte: »Es geht nicht«, und schlief wieder weiter. Hinter dem Billard unter dem Spiegel saßen drei andere Damen und riefen einem Kondukteur von der Eisenbahn zu: »Junger Herr, spendierens uns a Wermut.« Bei der Musik stritten zwei darüber, ob eine gewisse Marie gestern von der Patrouille erwischt worden sei. Einer hatte es mit eigenen Augen gesehen, und der zweite behauptete, Marie sei sich mit einem Soldaten zu »Walsch« ins Hotel ausschlafen gegangen.
In der Nähe der Tür saß ein Soldat mit einigen Zivilisten und erzählte ihnen von seiner Verwundung in Serbien. Eine Hand hatte er verbunden, und seine Taschen waren voller Zigaretten, die er von den Leuten bekommen hatte. Er sagte, daß er nicht mehr trinken könne, und einer von der Gesellschaft, ein glatzköpfiger Greis, forderte ihn unaufhörlich auf: »Trin ken Sie nur, mein Lieber, wer weiß, ob wir noch mal zusammenkommen. Soll ich Ihnen was aufspieln lassen? Hören Sie gern ›Das Waisenkind‹?«
Das war nämlich das Lieblingslied des glatzköpfigen Greises, und wirklich kreischten bald darauf Geige und Harmonika auf, während dem Greis Tränen in die Augen schossen und er mit zitternder Stimme sang: »Als es Sprach erlangte, nach der Mutter bangte, nach der Mutter bangte.«
Vom Nebentisch her ertönte es: »Lassen Sie sich das. Lassen Sie sich ausstopfen. Hängen Sie sich auf einen Nagel. Verduften Sie mit Ihrem Waisenkind.«
|111| Und gleichsam als letzten Trumpf begann der feindliche Tisch zu singen: »Scheiden, ach Scheidens Schmerz, mir bricht dabei das Herz …«
»Franto!« rief man dem verwundeten Soldaten zu, als man, »Das Waisenkind« übertäubend, zu Ende gesungen hatte, »laß sie schon sein und setz dich zu uns. Pfeif auf sie und schick Zigaretten herüber! Wirst sie doch nicht unterhalten, die Schlappschwänze.«
Schwejk und seine Begleiter betrachteten das alles mit Interesse.
Schwejk versenkte sich in Erinnerungen. Wie oft war er hier vor dem Krieg gesessen. Häufig war Polizeikommissär Draschner zu einer Razzia hergekommen, die Prostituierten, die sich vor ihm fürchteten, hatten ein Lied mit einem Spottext auf ihn verfaßt. Einmal sangen sie im Chor:
Als mal Herr Draschner kam,
hub ein großes Breigel an,
Maňa, die war besoffen,
hats mit Draschner gut getroffen.
Im nämlichen Augenblicke war Draschner mit seinen Leuten eingetreten, fürchterlich und
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