Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
von neuem unter der ehrenvollen Begleitung zweier Soldaten mit »Bajonett auf«, die ihn zum Feldkuraten bringen sollten.
Seine Begleiter waren Männer, die einander gegenseitig ergänzten. War der eine von ihnen lang und hager, so war der andere |107| klein und dick. Der Lange hinkte auf dem rechten Fuß, der kleine Soldat auf dem linken.
Beide dienten im Hinterlande, weil sie früher, bis zum Krieg, vom Militärdienst vollständig befreit gewesen waren.
Sie gingen ernsthaft auf der Fahrbahn und blickten von Zeit zu Zeit von der Seite auf Schwejk, der in der Mitte schritt und jedem zweiten salutierte. Seine Zivilkleider waren im Magazin des Garnisonsarrestes verlorengegangen, samt seiner Militärkappe, mit der er zur Assentierung gegangen war. Bevor man ihn entließ, hatte man ihm eine alte militärische Montur gegeben, die einem Dickwanst gehört haben mußte, der um einen Kopf größer war als Schwejk.
In die Hosen, die er trug, wären noch drei Schwejks hineingegangen. Endlose Falten von den Füßen bis über die Brust, wohin die Hosen reichten, erweckten unwillkürlich die Verwunderung der Schaulustigen. Eine ungeheure Bluse mit Flicklappen auf den Ellbogen, voller Fettflecke und schmutzig, schlotterte an Schwejk wie ein Rock an einer Vogelscheuche. Die Hosen hingen an ihm herunter wie ein Kostüm an einem Zirkusclown. Die Militärkappe, die man ihm gleichfalls im Garnisonsarrest ausgetauscht hatte, reichte ihm bis über die Ohren.
Auf das Gelächter der Vorübergehenden antwortete Schwejk mit einem weichen, warmen Lächeln und der Sanftmut seiner gutmütigen Augen.
Und so marschierten sie nach Karolinenthal, zur Wohnung des Feldkuraten.
Als erster wurde Schwejk von dem kleinen Dicken angesprochen. Sie schritten gerade auf der Kleinseite unter dem Laubengang.
»Woher bist du?« fragte der kleine Dicke.
»Aus Prag.«
»Und wirst du uns nicht weglaufen?«
Der Lange mischte sich ins Gespräch. Es ist eine überaus merkwürdige Erscheinung, daß die kleinen Dicken größtenteils gutmütige Optimisten zu sein pflegen, während die hageren Langen im Gegenteil Skeptiker sind.
|108| Und deshalb sagte der Lange zu dem Kleinen: »Wenn er könnt, möcht er weglaufen.«
»Und warum möcht er weglaufen«, ließ sich der kleine Dickwanst vernehmen, »er ist so gut wie frei, ausm Garnisonsarrest heraus. Hier trag ichs im Paket.«
»Und was is dort in dem Paket fürn Feldkuraten?« fragte der Lange.
»Das weiß ich nicht.«
»Also siehst du, weißt nicht und redst.«
Sie gingen in tiefem Schweigen über die Karlsbrücke. In der Karlsgasse sagte abermals der kleine Dicke zu Schwejk: »Weißt du nicht, warum wir dich zum Feldkuraten führen?«
»Zur Beichte«, warf Schwejk gleichmütig hin, »morgen wer ich aufgehängt. Das macht man immer so und nennt es geistlichen Trost.«
»Und warum wird man dich, wie man sagt …«, fragte vorsichtig der Lange, während der Dicke Schwejk teilnahmsvoll betrachtete.
Beide waren Handwerker vom Land, Familienväter.
»Ich weiß nicht«, antwortete Schwejk, gutmütig lächelnd, »ich weiß von nichts. Vielleicht is es Bestimmung.«
»Wahrscheinlich bist du auf einem unglücklichen Planeten geboren«, bemerkte der Kleine mitfühlend mit Kennermiene, »bei uns in Jasena bei Josefstadt, noch während des Preußenkrieges, hat man auch einen gehängt. Sie ham ihn geholt, ham ihm nichts gesagt, und in Josefstadt ham sie ihn gehängt.«
»Ich glaub«, sagte der Lange skeptisch, »daß man einen Menschen nicht um nichts und wieder nichts hängt, es muß immer eine Ursache dazu sein, damit mans begründen kann.«
»Wenn kein Krieg is«, bemerkte Schwejk, »so muß mans begründen, aber im Krieg nimmt man auf einen Menschen nicht Rücksicht. Soll er an die Front oder zu Haus gehängt wern. Gehupft wie gesprungen.«
»Hör einmal, bist du nicht am Ende politisch?« fragte die Hopfenstange. Dem Ton dieser Frage merkte man an, daß der Lange anfing, Schwejk geneigt zu sein.
»Politisch bin ich bis zuviel.« Schwejk lachte.
|109| »Bist du nicht Nationalsozialist?« Jetzt fing der kleine Dicke an, vorsichtig zu sein. Er mischte sich ins Gespräch. »Was geht uns das an«, sagte er, »überall is voll von Menschen, und man beobachtet uns. Wenn wir wenigstens in einem Hausflur die Bajonette abnehmen könnten, damits nicht so ausschaut. Wirst du uns nicht weglaufen? Wir hätten draus Unannehmlichkeiten. Hab ich nicht recht, Toni?« wandte er sich an den Langen, der leise sagte: »Die
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