Die Abenteuer von Sherlock Holmes
wich vor seinem Anblick rückwärts zur Wand, aber Sherlock Holmes sprang vor und stellte ihn.
"Sie Schurke", sagte er, "wo ist Ihre Tochter?" Der fette Mann ließ den Blick durchs Zimmer schweifen und sah dann hoch zu dem offenen Deckenfenster.
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"Das frage ich Euch", kreischte er, "Ihr Diebe! Spione und Diebe!
Habe ich Euch erwischt! Ihr seid in meiner Gewalt! Euch werde ich's zeigen!" Er drehte sich um und polterte, so schnell er konnte, die Treppe hinunter. "Er holt den Hund!" rief Miss Hunter. "Ich habe eine Pistole", sagte ich. "Wir schließen besser die Haustür", rief Holmes und wir stürzten die Treppe hinunter. Kaum waren wir in der Halle, als wir das Gebell eines Hundes und gleich darauf einen Todesschrei und einen schrecklich würgenden Laut vernahmen, der scheußlich anzuhören war. Ein älterer Mann mit rotem Gesicht und schlotternden Gliedern taumelte aus einer Seitentür.
"Mein Gott!" rief er, "jemand hat den Hund losgemacht. Er hat zwei Tage nichts zu fressen bekommen. Schnell, schnell, oder es ist zu spät."
Holmes und ich stürzten hinaus und um die Hausecke, Toller folgte uns auf den Fersen. Da stand die riesige ausgehungerte Bestie, die schwarze Schnauze in Rucastles Kehle verbissen. Der Mann wand sich am Boden und schrie. Ich sprang, vor, schoß dem Hund in den Kopf und er fiel um, die weißen scharfen Zähne hielten noch immer die Fettpolster des Halses. Mit großer Mühe konnten wir die beiden voneinander trennen. Wir trugen den Mann, der lebte, sich aber in einem schrecklich zerfetzten Zustand befand, ins Haus. Im Salon legten wir ihn aufs Sofa und nachdem wir den ernüchterten Toller mit der Nachricht zur Frau des Hauses geschickt hatten, tat ich, was ich vermochte, die Schmerzen des Verletzten zu lindern. Wir waren alle um ihn versammelt, als die Tür aufging und eine große, hagere Frau ins Zimmer trat. "Mrs. Toller!" rief Miss Hunter. "Ja, Miss. Mr. Rucastle hat mich rausgeholt, ehe er nach oben ging. Ach, Miss, es ist jammerschade, daß Sie mir nicht gesagt haben, was Sie tun wollten, denn ich hätte Ihnen sagen können, daß Sie sich vergebens Mühe machen."
"So!" sagte Hohnes und sah sie scharf an, "demnach ist es klar, daß Mrs. Toller mehr in dieser Angelegenheit weiß als sonst jemand."
"Ja, Sir, so ist es und ich will alles erzählen, was ich weiß."
"Dann setzen Sie sich bitte und lassen uns Ihre Geschichte hören, denn es gibt da Punkte, in denen ich, wie ich gestehen muß, noch im Dunkeln tappe."
"Ich erzähle Ihnen gleich alles", sagte sie, "und ich hätte es schon früher getan, wenn ich aus dem Keller gekommen wäre. Wenn es eine Untersuchung durch die Polizei gibt, dann erinnern Sie sich daran,
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daß ich diejenige war, die Ihrer Freundin beigestanden hat und die auch die Freundin von Miss Alice war.
Sie fühlte sich nicht mehr glücklich zu Haus, die Miss Alice, von der Zeit an, wo ihr Vater wieder geheiratet hat. Sie wurde geringschätzig behandelt und hatte überhaupt nichts zu sagen. Aber richtig dreckig ist es ihr nie gegangen, bis sie dann bei einer Freundin Mr. Fowler kennen gelernt hat. Soviel ich weiß, hatte Miss Alice durch das Testament ihrer Mutter ihr eigenes Vermögen, aber sie war so ruhig und so geduldig, wirklich, daß sie nie ein Wort davon gesagt hat und alles Mr. Rucastle überließ. Er wußte, er hatte sie sicher. Aber dann sah es so aus, als wenn ein Ehemann auftauchen könnte, der alles verlangen würde, was ihm vom Gesetz her zustand und da hat der Vater gedacht, es war Zeit, einen Riegel vorzuschieben. Er wollte, sie sollte unterschreiben, daß er ihr Geld weiter behalten konnte, ob sie nun heiratete oder nicht. Als sie nicht wollte, hat er ihr so zugesetzt, daß sie Nervenfieber bekam und sechs Wochen auf den Tod da lag.
Dann wurde es schließlich wieder besser mit ihr, aber sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst und ihr schönes Haar war auch abgeschnitten. Doch das hat den jungen Mann nicht abgeschreckt, er war ihr treu, wie ein Mann nur sein kann."
"Ah", sagte Holmes,
"ich glaube, das, was Sie uns
freundlicherweise erzählt haben, klärt die Angelegenheit ziemlich und ich kann den Rest allein ableiten. Mr. Rucastle, nehme ich an, griff dann zu dem Mittel, sie einzusperren."
"Ja, Sir."
"Und er ließ Miss Hunter aus London kommen, um die
unangenehme Beharrlichkeit des Mr. Fowler zu brechen."
"Genauso, Sir."
"Aber Mr. Fowler war ausdauernd, wie ein guter Seemann sein soll, er belagerte das Haus, traf sich
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