Die Abschaffung der Arten
Mädchen des Herrn Vladimir Nabokov und den großen Mädchen des Herrn Henry Miller, von den Mores schließlich, aus denen das alles gewachsen war: »Wie, sexuelle Orientierung? Also ehm das hieße ja praktisch«, Dmitri kratzte sich am Kopf, mit allen Krallen seiner Rechten, »eine Münze werfen und ab da nur noch mit denen, die wie man selber sind oder gerade anders oder wie?«
»Naaa«, sagte Lasara gedehnt und streckte sich, daß er gleich wieder ihre Streckbank sein wollte, »es ging ihnen eben nichts über die primären Geschlechtsmerkmale als Orientierungshilfen in Sachen: Wer bin ich.«
»Also Schwanz und Muschi – das war's dann schon? Das verstanden die unter Sex? Sag mal, haben die einander denn nicht geküßt?«
5. Freunde
Was den Ruhm der drei Helden in Wahrheit begründete, waren nicht ihre Taten, nicht die Berichte von ihren Fahrten und den Wundern, die sie sahen. Man liebte sie, weil sie zusammenhielten. Daß sie eine Einheit von Mut und Witz bildeten, daß sie alleine gar nicht denkbar waren, das machte die Legende aus.
Hecate, Huan-Ti und Anubis: Wer einen dieser Namen nannte, mußte die andern nennen.
Es paßte, weil sie einander ergänzten: Hecate war eine starke Tinkerstute mit gelber Mähne, geschecktem Leib und festen Füßen, Huan-Ti ein weißer Tiger mit furchtbarem Brüllen sowie einer Vorliebe für lange Nächte und träge Tage, Anubis ein Frettchen aus dem Süden, das grobe Lieder wußte, schlechte Scherze und beste Auswege aus beinah jeder Lage. Sie hatten sich in Kapseits kennengelernt, wo Huan-Ti es als Veranstalter exklusiver Sportspiele und Organisatorin von Wetten zu Vermögen gebracht hatte.
Das war während der schweren Jahre der frühen Kriegsvorbereitungen gewesen, während der Pherinfonsperre und des Transkontinentalembargos für Pflanzen wie für alles andere Lebendige, das keine Sprache hatte. Diese Anordnungen sollten das Einsickern von Spionen Katahomenleandraleals verhindern; Wirtschaft, Politik und Kultur in den drei Städten wurden dadurch sehr verändert.
Damals waren die drei Helden bis in die frühen Morgenstunden zusammen um die Häuser gezogen und hatten so viel lustigen Krawall gemacht wie überhaupt möglich. Bei der Gelegenheit hatte sie schließlich ein Nektarvogel, der für Ryunekes weitverzweigte Weltpherinfonnachrichten- und Unterhaltungsgruppe arbeitete, als proaktive Reporter verpflichtet. Die unmöglichen Situationen, in die sich die drei brachten, kamen auch Ryuneke selbst bald quirlig genug vor, um damit alle Gente zu zerstreuen.
In Borbruck, Landers, Kapseits wuchs mit jedem neuen Streich der Helden ihre Gefolgschaft: Besäufnisse, Sexualausschweifungen, Schlägereien, sogar ein paar unfreundliche Begegnungen mit der Dachsenwacht gehörten dazu.
Endlich, als, wie Anubis sagte, »die Stadt komplett verkommen und vom alten Glanz kein Fetzchen mehr übrig« war, hatte Hecate vorgeschlagen, man könne sich doch zwecks Verjüngung, Weitung der Perspektive und gepflegter Zeittotschlägerei auf eine gemeinsame Weltreise begeben.
»Tja, was heißt Welt – ein bißchen übern Rand des zivilisierten Tierreichs raus, dahin, wo nicht nur Gente leben, sondern auch das Volk haust, das keine Sprache hat.«
Ryunekes Nachrichten- und Unterhaltungsgruppe erklärte sich bereit, das Unternehmen mit baren und logistischen Mitteln zu unterstützen: »Wir können alle ein bißchen Abwechslung gebrauchen, knapp, wie die Annehmlichkeiten geworden sind«, ließ der Fuchs verlauten. Er spielte auf die Wirtschaftslage an; die Energieguthaben, die Umleitung von Ressourcen in immer neue Fonds für das, was Izquierda und ihr rasch weiter anwachsender Stab (von 30000 Gente war zuletzt die Rede) im Präferenzgebirge trieben.
Hecate, Huan-Ti und Anubis brachen auf; suchten und fanden Abenteuer, von denen Lieder, Filme und die bildende Kunst der Gente noch lange berichten sollten.
Sie setzten auf Schiffen übers kleine Meer und durchquerten Wüsten auf der kontinentalen Wallstatt, die während der Langeweile »Afrika« geheißen hatte.
Dort machten sie, an einem langen Nachmittag im Herbst des sechsten Jahres nach Einführung der zweiten Kommandowirtschaft in den drei Städten seit der Befreiung, ihre wichtigste und unheimlichste Entdeckung.
»Hier sind sie hergekommen, vor soundsoviel Tausenden von Jahren«, sagte Hecate und scharrte mit dem Fuß im Sand, in Sichtweite einer Wasserstelle, über einem schattigen Tal.
»Und haben dann Naturparks draus gemacht, später.
Weitere Kostenlose Bücher