Die Achse Des Blöden
Vollkommen schockiert.
Die Behörden reagierten schnell und entschlossen: Sie machten die Umbenennung rückgängig und nannten die Straße wieder 132nd Avenue. Diese mutige Tat wurde von dem damaligen Mitglied der Bezirksregierung Larry Hawkins ausgelöst, der sich zu einem meiner Lieblingsstatements über Südflorida aufschwang und über den Leomar Parkway sagte: »Ich glaube, das ist die falsche Botschaft, nicht nur an die Jugend, sondern auch an die Drogendealer.«
Und da hat er verdammt recht! Möge dies eine fürchterliche Warnung an alle sein, die glauben, sie kämen ungestraft davon, wenn sie in Südflorida mit Drogen dealen: Wenn ihr euch erwischen laßt, nennen wir keine Straße nach euch!
Manchmal werden aber noch härtere Maßnahmen gegen Drogendealer ergriffen. Es kommt nämlich vor, daß einige verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Da sich diese Gerichte jedoch in Südflorida befinden, gehen die Prozesse nicht immer so aus, wie die Anhänger von Recht und Ordnung sich das wünschen. Ein gutes Beispiel dafür ist der legendäre Fall von Augusto »Willie« Falcon und Salvador »Sal« Magluta,
-138-
oder, wie wir in Miami liebevoll sagen: Willie und Sal.
Willie und Sal besaßen etliche Schnellboote, die vor der Küste hin- und herdonnerten, und sie wurden beschuldigt, 75
Tonnen Kokain im Werte von 2,1 Milliarden Dollar ins Land geschmuggelt zu haben. Ja, Sie haben richtig gelesen:
fünfundsiebzig Tonnen Kokain. Ich will Ihnen eine Vorstellung davon geben, wieviel das ist: Ein Team der National Basketball Association käme fast eine Woche lang damit aus.
Nein, Scherz beiseite: das ist eine Menge Kokain. Die
Ankläger dachten, sie hätten einen wasserdichten Fall, obwohl einige Zeugen in dem Prozeß nicht aussagen konnten, weil jemand - und ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, als sei das nicht purer Zufall gewesen - sie ermordet hatte.
Der Prozeß fand in Miami statt, und Willie und Sal wurden von teuren Anwälten mit großen Namen vertreten. Die
Verteidigung räumte ein, daß Willie und Sal vielleicht irgendwann einmal ein bißchen gedealt hätten, aber das sei vor vielen Jahren gewesen, und sie hätten sich längst aus dem Geschäft zurückgezogen. Die Ankläger hielten dem entgegen, daß Willie und Sal immer noch auf sehr großem Fuße lebten, Haus- und Grundbesitz im Werte mehrerer Millionen Do llar hätten, nach wie vor die Speedbootflotte unterhielten und daß sie diesen Lebensstil wohl nicht mit Gartenarbeit finanzierten.
Einer der Verteidiger war selbstverständlich Roy Black, der sich mit Claude, dem Killer-Hirtenhund, einen Namen gemacht hatte. In seinem Schlußplädoyer berief sich Black - und eine so stilvolle Verteidigung kann man sich für ein paar Millionen Dollar nun einmal kaufen - nicht nur auf Robert F. Kennedy und Martin Luther King Jr., sondern zitierte auch den englischen Staatsmann Ed mund Burke aus dem 18. Jahrhundert: »Das Böse kann nur triumphieren, wenn rechtschaffene Leute tatenlos zuschauen.« (Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die meisten Historiker gehen davon aus, daß Burke nicht an Willie und Sal dachte, als er das sagte.)
-139-
Trotzdem war man sich einig: Die Anklage hatte Willie und Sal überführt, unter anderem durch die Aussagen mehrerer Dutzend Zeugen. Um so erstaunter waren alle, als die
Geschworenen nach eingehender Beratung die Angeklagten in allen Punkten frei sprachen.
Die Anklage war vollkommen perplex. Bundesstaatsanwalt Kendall Coffey drückte es so aus: »Wahrlich ein schwarzer Tag für uns alle.«
Und das war kein Spruch. Coffey war wirklich deprimiert. So tat er, was viele tun, wenn sie eine Aufmunterung brauchen: Er ging in eine Bar namens »Lipstick«, kaufte eine Flasche Dom Perignon für 900 Dollar und biß einer Obenohne-Tänzerin in den Arm. Richtig: Der ranghöchste Staatsanwalt von Südflorida biß einer Stripperin in den Arm. Sie war vorher Kassiererin in einer Bank gewesen und trat unter dem Namen »Tiffany« auf, obwohl sie in Wirklichkeit »Tammy« hieß. (Ich weiß, Sie glauben mir nicht, aber ich versichere Ihnen, daß meine Phantasie nicht ausreicht, um mir so etwas Gutes auszudenken.) Als sich die Sache herumsprach, reichte Coffey seine
Kündigung ein (wobei man ihm hoch anrechnen muß, daß er nicht Edmund Burke zitierte). Aber damit war die Geschichte natürlich noch längst nicht zu Ende (ich sagte ja schon, daß Geschichten, die in Südflorida spielen, nie zu Ende gehen).
Coffe y machte sich
Weitere Kostenlose Bücher