Die Achte Fanfare
zahlreichen Maschinen seine Aufmerksamkeit, dann die Gestalt auf dem Bett in ihrer Mitte. Lampen blinkten, und elektronische Linien tanzten auf zahlreichen Bildschirmen.
»Das ist seit meinem Tod mein Zuhause, Fährmann«, sagte Jason Benbasset und ließ seinen Worten ein verzerrtes Geräusch folgen, das wohl ein Gelächter sein sollte. »Keine schlechte Ruhestätte, nehme ich an.«
Kimberlain wollte zum Bett treten, blieb dann jedoch wie erstarrt stehen. Er war der teilweise von einem dunkelblauen Tuch bedeckten Gestalt nahe genug, um erkennen zu können, daß er ihr gar nicht näher kommen wollte. Von Benbasset war kaum mehr als ein bloßer Klumpen übriggeblieben. Selbst mit dem Tuch machte Kimberlain aus, daß man ihm beide Beine abgenommen hatte, eins an der Hüfte und das andere über dem Knie. Der linke Arm war ebenfalls amputiert, und der rechte unter dem Ellbogen. Eine Seite des Halses war dick verbunden, und an den Rändern des Mulls war rohes Narbengewebe auszumachen. Benbassets Gesicht wirkte, abgesehen davon, daß es totenbleich war, noch einigermaßen normal. Der Mann machte den Eindruck einer einbalsamierten Leiche; die Gesichtszüge unter dem ordentlich gekämmten Haar waren leer wie auf einem Foto, und nur die Augenlider bewegten sich blinzelnd.
»Ich habe keine Schmerzen, Fährmann«, krächzte der Torso auf dem Bett. »Ich fühle überhaupt nichts, nur meine Gedanken. Ich hätte vor drei Jahren sterben sollen, doch irgend etwas hielt mich am Leben und gab mir die Kraft, weiterzumachen, und ich habe mich niemals gefragt, was das wohl sein mochte. Doch als man mir gestern abend mitteilte, daß mein Plan gescheitert war, erlosch die Willenskraft, die mich all diese Monate hatte weiteratmen lassen. Doch leider verhinderte die Macht der Gewohnheit, daß ich einfach starb. Ich wußte, daß Sie kommen würden, und vielleicht konnte ich deshalb meinen Tod noch nicht hinnehmen. Bitte, treten Sie näher.«
Die krächzende Stimme klang sanft und ruhig. Kimberlain trat so weit vor, daß Benbasset ihn sehen konnte.
»Gerade Sie werden mir nicht vorwerfen können, daß ich falsche Ziele verfolgt habe. Ich wollte eine böse und grausame Welt für ihre Missetaten bestrafen. Seit über zwanzig Jahrhunderten werden wegen Religion, Land, Politik und Geld Kriege geführt. Die Namen ändern sich, die Motive auch, doch immer müssen Menschen aus Gründen sterben, die sie nicht verstehen können oder wollen. Sagen Sie mir, daß Sie das anders sehen.«
Kimberlain schwieg.
»Fanatiker fahren mit Sprengstoff beladene Lastwagen gegen Häuser und löschen ihr eigenes Leben mit dem tausend anderer Menschen aus. Was beweist das? Was zeigt uns das? Das Leben wird nur allzu oft mit den Begriffen des Todes definiert. Die Fanatiker unserer Welt können alles mit dem Leben rechtfertigen, denn ihrer Meinung zufolge beginnt das wahre Leben erst mit dem Tod. Solch eine leere Rechtfertigung … Und doch ist sie typisch für alle, selbst für die in diesem unserem Lande. Sind wir besser als die anderen? Wir sind davon überzeugt, und daher kann es nicht sein.«
Benbassets Lungenmaschine arbeitete bei jedem Wort schneller und kämpfte darum, ihm den für das Sprechen nötigen Sauerstoff zu geben. Letztendlich scheiterte sie jedoch, und er rang rasselnd um Luft. Kimberlain trat an sein Bett, als könne er helfen. Starke Desinfektionsmittel drangen in seine Nase und machten ihn beinahe benommen.
Piep … piep … piep …
»Ich hatte recht mit dem, was ich tat, nicht wahr?« brachte Benbasset zustande. »Ich hatte recht, weil die Welt mir meine Familie und mein Leben nahm. Ich versuchte, der Welt zu helfen, und das war mein Lohn. Sie verstehen sicher, daß ich meine Rache nehmen mußte!«
»Nein«, sagte Kimberlain plötzlich, nicht unbeeindruckt von den Worten. »Denn um Ihr Ziel zu verwirklichen, mußten Sie die Dienste genau der Gruppe in Anspruch nehmen, die Sie zu verachten behaupten. Sie haben die Hashi angeheuert, Mr. Benbasset, kaltblütige Meuchelmörder, wie die Welt sie noch nie gesehen hat. Und damit wurden Sie genau zu dem, was Sie am meisten hassen.« Er hielt inne. »Die Hashi und andere Gruppen wie sie definieren die Welt nach den Begriffen ihrer Häßlichkeit. Die Caretaker wurden gebildet, um die Welt – oder zumindest die USA – davon zu befreien, doch dabei mußten wir zu dem werden, was wir abschaffen wollten. Doch das trifft ebenso auf Sie zu. Sie machen der Welt Vorwürfe, doch die Menschen sind im
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