Die Achte Fanfare
DIE ERSTE FANFARE
ALTE SCHULDEN Sonntag, 15. November, 23 Uhr 30
1
»Tor, hier Zentrale. Der Konvoi nähert sich.«
»Roger, Zentrale. Ich kann schon die Scheinwerfer sehen.«
Im zentralen Überwachungsraum in der Halle des Landsitzes beugte sich Nelson näher über einen der drei Bildschirme, die eine vollständige Ansicht des Ridgepoint Circle boten, der einzigen Zufahrtsstraße zum Lime-Grundstück. Er konnte die Limousine nun deutlich sehen; sie war eingezwängt zwischen zwei ihr folgenden und einem vorausfahrenden Wagen. In seinem Kopfhörer erklang das schwere Wop-wop-wop eines Hubschraubers, das schon einen Augenblick später von einer Stimme übertönt wurde.
»Zentrale, hier Sky Chief. Hinten ist alles klar.«
»Roger, Sky Chief.«
»Bist du das, Nellie? Was ist los, ziehst du eine Doppelschicht durch?«
»Der andere Bursche hat sich krank gemeldet. Ich bin schon ein Glückspilz, was?«
»Wenn ich zu Hause vorm warmen Ofen sitze, denke ich an dich.«
Nelson schnaubte verächtlich, und sein Blick richtete sich auf den Bildschirm, auf dem die Bilder der Torkamera zu sehen waren, in deren Aufnahmebereich die Limousine soeben gelangt war. Unter sorgfältiger Überwachung durch den Hubschrauber war die Fahrt des Konvois vom Zentrum Manhattans in das dicht bewaldete Herz des nördlichen Greenwich in Connecticut ereignislos verlaufen. Nelson hatte eigentlich darauf gehofft, mittlerweile selbst schon zu Hause und im Bett zu sein, doch dann hatte er den Befehl erhalten, die Nacht mit den zwanzig nebeneinander aufgereihten Monitoren des Überwachungssystems zu verbringen.
Diese hochmoderne Sicherheitstechnik, überlegte Nelson, während er beobachtete, wie zwei bewaffnete Wächter Jordan Lime durch das Foyer und die Wendeltreppe hinauf begleiteten, hat den Nachteil, das sie alles ausschaltet, was auch nur einigermaßen dem Begriff Privatsphäre nahekommt. Verdammt, drei dieser zwanzig Bildschirme vor ihm zeigten Ansichten von Limes Schlafzimmer. Der Milliardär konnte nicht einmal aufs Scheißhaus gehen, ohne dabei die ganze Zeit über beobachtet zu werden.
Vier von den übrigen Kameras zeigten andere Räume des Landsitzes, während zehn unermüdlich das Gelände außerhalb absuchten. Abgesehen von den üblichen Linsen waren alle Kameras mit Infrarot-Aufnahmevorrichtungen ausgestattet, die Signale von Sendern empfingen, die die zwölf Wachen trugen, die ständig auf dem Gelände Streife gingen. Falls es einem Eindringling tatsächlich gelingen sollte, den zwei Meter hohen Elektrozaun zu überwinden, der das Gelände umgab, würde die Kamera, in deren Aufnahmebereich er geriet, auf jeden Fall Alarm auslösen und seinem Weg folgen; wenn er in den Bereich der nächsten Kamera wechselte, übernahm diese dann automatisch. Für menschliches Versagen war kein Platz mehr. Erstaunlich, was einem für 25.000 Dollar pro Tag alles geboten wurde.
Nelson blieb vor dem Monitor-Pult sitzen und beobachtete, wie Jordan Lime zu seinem Schlafzimmer im zweiten Stock ging. Die beiden Wachen folgten ihm auf den Fersen. Die Kamera auf der Treppe hatte an die im Gang übergeben, und Nelson konzentrierte sich auf zwei weitere Wachen der Sicherheitsfirma Pro-Tech, die vor der elektronisch verriegelten Zimmertür standen. Lime näherte sich ihnen, grüßte sie und schob eine flache, viereckige Plastikkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz. Es klickte, und die Tür öffnete sich. Sobald Lime den Raum betreten hatte, konnte die Tür nur noch von ihm selbst oder dem wachhabenden Sicherheitsleiter – Nelson – geöffnet werden, der die einzige andere Zutrittskarte besaß. Damit schützte Pro-Tech ihre Klienten vor der Möglichkeit, deren Feinde könnten Angestellte der Firma bestechen, um an sie heranzukommen. Gemeinsam mit dem menschlichen Versagen war auch die menschliche Gier aus dem System herausprogrammiert worden.
Auf dem Monitor, der das Bild aus dem Schlafzimmer übertrug, beobachtete Nelson, wie Lime seine Smokingjacke auf die Lehne eines Chippendale-Stuhls vor den Erkerfenstern warf. Er ging zum Badezimmer und kam dabei am Kamin vorbei. Auf die bloße Möglichkeit, ein Killer könne diesen Weg wählen, um an Lime heranzukommen, war um die Dachöffnung des Kamins ein elektrisches Feld gelegt worden. Es würde den Eindringling betäuben und gleichzeitig Alarm auslösen. Und um die Möglichkeit auszuschalten, daß diese und andere Vorsichtsmaßnahmen durch einen Stromausfall lahmgelegt wurden, befand sich im Keller
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