Die achte Offenbarung
Möglichkeiten systematisch ab. Das ist mein Job. Also, wäre es denkbar?«
»Theoretisch vielleicht, aber in diesem konkreten Fall nicht. Zum fraglichen Zeitpunkt waren mehrere Mitarbeiter im Labor anwesend. Außerdem gibt es keine Möglichkeit, Proben einfach so mit nach draußen zu nehmen. Wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, haben die Schutzanzüge keine Taschen. Die Desinfektionskammer wird peinlich genau überwacht. Hier kommt keine einzige Bakterie unbemerkt raus.«
»Trotzdem würde ich gern mit demjenigen sprechen, der die Überprüfung vorgenommen und die Differenz bemerkt hat.«
»Das tun Sie bereits«, bemerkte Crowe. »Derjenige war ich.«
»Ich verstehe. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Dr. Crowe. Ich habe zum Abschluss nur noch eine Frage: Was genau ist das eigentlich für eine Substanz in der fraglichen Charge?«
Crowe zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Es handelt sich um isoliertes DNA-Material, mit dessen Hilfe man Keime identifizieren kann. Vergleichsmuster sozusagen.«
»Was für DNA-Material?«
»Eine synthetische Mutation.«
»Was genau heißt das?«
»Das heißt, dass die fragliche DNA so in der Natur nicht vorkommt.«
»Sie meinen, ein genmanipuliertes Virus?« Eddie wurde vage bewusst, dass die übrigen Labormitarbeiter mit ihrer Arbeit aufgehört hatten und gebannt dem Dialog lauschten.
»Wir reden hier von der DNA eines Virus, nicht von dem Virus selbst«, sagte Crowe. »Sie entstand im Rahmen eines Experiments.«
»Was für ein Experiment?«
»Wir haben damals überprüft, wie einfach es ist, bestimmte Viren-DNA miteinander zu kombinieren. Natürlich nicht, weil wir selbst biologische Kampfstoffe herstellen wollten. Wir wollten nur wissen, wie leicht Dritte dazu in der Lage wären. Das Ergebnis können Sie in einer Studie nachlesen, die ich damals verfasst habe. Sie liegt dem OIA vor.«
»Würden Sie mir bitte eine kurze Zusammenfassung geben?«
»Wir haben festgestellt, dass es prinzipiell – entsprechende technische Einrichtungen vorausgesetzt – möglich ist, gewisse Virenstämme miteinander zu kombinieren, um ein hoch pathogenes Virus herzustellen, das bestimmte für einen potenziellen Angreifer attraktive Charakteristika aufweist.«
»Im Klartext: Jemand, der über ein Labor wie Ihres verfügt, könnte aus den Bestandteilen, die Sie damals benutzt haben, ein extrem gefährliches Virus erzeugen?«
»So ungefähr.«
»Welche Bestandteile waren das?«
»Wir haben das Marburg-Virus mit einer häufigen Variante der Influenza Typ A gekreuzt.«
»Was ist das Marburg-Virus?«
»Ein Erreger, der hämorrhagisches Fieber auslöst. Er wurde 1967 bei einer Epidemie in der deutschen Stadt Marburg entdeckt, daher der Name. Er wurde von Versuchstieren eingeschleppt, Meerkatzen aus Afrika. Das Marburg-Virus gehört wie Ebola zur Familie der Filoviridae.«
Eddie lief ein Schauer über den Rücken. Er wusste nicht viel über Krankheiten, aber Ebola war ihm ein Begriff. Er erinnerte sich an Bilder eines Dorfs in Afrika, das voller Leichen gewesen war. Dazwischen waren zwei Ärzte der Weltgesundheitsorganisation in gelben Schutzanzügen herumgelaufen, ganz ähnlich dem, den er selbst gerade trug. »Soll das heißen, in den verschwundenen Proben war ein tödliches Virus?«
»Mr. Wheeler«, entgegnete Crowe mit mühsam unterdrücktem Ärger, »ich habe Ihnen bereits erklärt, dass hier nichts verschwinden kann. Die Charge ist beim Einlagern offensichtlich falsch erfasst worden. Und außerdem enthielt sie ohnehin nur die rekombinierte DNA. Sie allein ist völlig ungefährlich. Man bräuchte schon ein Hochsicherheitslabor wie dieses und eine Menge Knowhow, um die DNA in eine Virushülle einzuschleusen und daraus tatsächlich eine ansteckende Krankheit zu machen.«
»Aber es wäre möglich.«
»Prinzipiell schon, ja.«
»Nur mal angenommen, Dr. Crowe, jemand würde das tun und das Virus in einer Großstadt freisetzen. Was würde dann passieren?«
»Das habe ich bereits vor drei Jahren in meinem Bericht beschrieben. Sie sollten ihn wirklich lesen.«
»Das werde ich, Dr. Crowe. Bitte beantworten Sie trotzdem meine Frage.«
»Wenn das passieren würde, müssten wir mit vielen Millionen Toten rechnen. Wenn es nicht gelänge, die Ausbreitung rechtzeitig einzudämmen, könnte es zu einer globalen Pandemie kommen. Wir haben abgeschätzt, dass die Letalität des Virus zwischen 70 und 95 Prozent liegen würde.«
»Das heißt, ein Terrorist könnte mit einem solchen
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