Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
Nymphenherz
»Alles verändert sich«, flüsterte Lennox leise vor sich hin und öffnete das schmale Fenster des spartanisch eingerichteten Zimmers , in dem sie seit Stunden warteten. Er spürte die Spannung, die in der Luft hing. Die Unruhe, die sich von Zeitwandler zu Zeitwandler zu übertragen schien. Alle seiner Art waren in Aufruhr und niemand wusste, wie sich das Machtgefüge zwischen Dämonen und Hexenwesen verändern würde. Das Mädchen, an das er Tag und Nacht denken musste, Hanna, war der Schlüssel. Sie war ein vollkommen neues Wesen. Ein Mädchen zwischen Hexenwelt und Dämonenwelt.
Ein kühler Strom der Novemberluft l ieß ihn schaudern und er trat einen Schritt zurück. Er fühlte Olivias Hand, wie sie zögernd seine Schulter berührte, um sich schnell wieder zurückzuziehen. Langsam wandte er sich um, blickte die Baobhan-Sith intensiv an.
» Sei nicht albern, Nachtalb«, erwiderte sie trocken. Ihre Finger tasteten über ihre Wange, um von dort aus ihren Weg zu ihrer Stirn fortzusetzen. »Mein Gesicht hat sich verändert. Das steht fest. Weitere Veränderungen dieser Art möchte ich tunlichst vermeiden.«
Ihr e Miene verzog sich zu einer Grimasse und in ihren dunklen Mandelaugen blitzte es gefährlich. »Dieser Henry hat Glück, dass er schon tot ist. Ansonsten würde er mir das hier büßen.« Die Finger verweilten auf der Stirn, während sie weitersprach. »Wie konnte dieser Mistkerl, der sich ihr Onkel schimpft, Hanna diesen Verrat antun? Seiner eigenen Nichte? Und mir …« Ihre schmale gespaltene Zunge huschte kurz zwischen ihren halb geöffneten Lippen hervor und fing Lennox’ Aufmerksamkeit ein.
Seine Augen wanderten zu Olivias Narbe, als ihre Finger sie freigaben. Die Einschussstelle von Henrys Waffe mittig auf Olivias Stirn ließ ihre feine porzellanartige Haut grau und unruhig erscheinen. Ihre Fingerkuppen tasteten die leichte Senkung ab.
In Lennox’ Gesicht zuckte ein ironisches Lächeln. »Steht dir!«, brachte er matt hervor. »Es trägt deine Unvollkommenheit nach außen.« Jetzt blickte er fort und sah nur aus den Augenwinkeln den Schlag ihrer kleinen Faust auf sich zukommen. Blitzschnell wich er zurück und spürte auch schon die angriffslustige Energie des Dämons in sich. Wie dieser jubilierte über die Auseinandersetzung mit einem anderen Zeitwandler-Dämon. Er schäumte beinahe über vor Kampfeslust. Mühsam drängte Lennox ihn zurück und funkelte Olivia zornig an. »Spar dir das für andere auf, Olive! Die Zeit wird kommen, in der du all deine Kraft brauchen wirst.«
Für einige Sekunden schloss er die Augen und witterte in die Nachtluft. Der Wind kam von Nord-Ost und brachte die klare Kälte des nahenden Frosts mit sich. Schon bald würde der Winter alles in sein weißes kaltes Gewand einhüllen. Als sich der Geruch von Feuer in seine Nase schlich, riss er die Augen wieder auf.
Es war nur die Erinnerung an den Tag , an dem er Hanna verloren hatte. Der Gedanke an die bedrohlich knisternden Flammen, die das alte Backsteinhaus in England auffraßen und drohten ihn auszulöschen. An die Hilflosigkeit! Und die Angst um das zarte dickköpfige Hexenmädchen mit der perlmuttfarbenen Haut. Er hatte sich kaum rühren können nach dem Kampf mit dem Wendigo, zu schwer hatte dieser seinen Körper verletzt. Nur sein Geist war weiter davongejagt, hatte gebrüllt und getobt, als man das Mädchen nach draußen verschleppt hatte. Er hatte alles wahrgenommen und jetzt quälten ihn die Erinnerungen an seine Tatenlosigkeit.
Ben hatte Olivia und ihn mit Hilfe von Louisa zu einem der hinteren Fenster geschleppt. Das Feuer hatte das Haus vollkommen eingeschlossen . Nur mit Mühe hatte Lennox sich auf seine Beine gebracht und versucht, das Fenster zu öffnen. Ben war in den vorderen Teil des Hauses verschwunden. Das Letzte, was dieser verdammte Hexer ihm zugeraunt hatte, war, dass er nun seinen Job machen würde. Dass er Hanna retten und nach Hause schaffen würde und dass Lennox sich und Olivia gefälligst hier rausschaffen sollte.
Ein Knurren stieg bei dem Gedanken in Lennox’ Kehle auf und Olivia nahm Abstand. »Ist ja schon gut, Nachtalb!«, zischte sie ihm zu und verdrehte die Augen.
Lennox sah sie an und hob beschwichtigend die Arme. » Es tut mir leid. Es ist nur …«
Sie strich sich eine schwarze Haarsträhne hinter ihr kleines Ohr und trat wieder näher. »Was hast du vor?«
Lennox zuckte die Achseln. »Ich werde herausfinden, was sie mit Hanna vorhaben.«
Olivia lachte
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