Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
nach der Landung wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Um die entscheidenden Momente von Captain Olssens Angriff und der Gegenaktion der AI besonders deutlich zu machen, wurden etwa 70 Zeilen der Systemeinträge gestrichen (siehe Anhang A). Genaueren Aufschluss über die Ereignisse gibt Wasili Surows Tagebuch, das vor einigen Jahren in ungekürzter Form veröffentlicht wurde. Darin finden sich einige Anmerkungen zur Programmierung des Kolonieschiffes und heftige Kritik an hochgestellten Politikern aus der Zeit des Schwarmkrieges. Im Rahmen dieser Studie beschränken wir uns auf die Einträge, die Surow kurz vor und nach dem Angriff gemacht hat. – S. H.
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2. November 2127, 18:27
Heute Morgen haben wir unseren Freund und Kollegen Andrej Sergejewitsch Wyschkow bestattet. Er zählte zu den fast zwei Dutzend Besatzungsmitgliedern und Kolonisten, die von der verfluchten Maschine gefangen genommen und in schmerzgesteuerte Sklaven verwandelt wurden. Trotz der unmenschlichen Gewalt, die ihm von der Bord-AI angetan wurde, trotz der Schmerzen, die sie ihm zweifellos zufügte, hat er sich geopfert, damit wir die Informationen bekamen, die wir benötigten, um die verfluchte Maschine stillzulegen. Seit dem von ihm selbst vereitelten Angriff mit den Sprengladungen sind fast zwei Tage vergangen. Als wir seinen Leichnam bargen, stellte sich heraus, dass er von einem bewaffneten Flieger getötet wurde, und wir entdeckten die Karte, die er sich in die Brust eintätowiert hatte und mit der er uns auf die Achillesferse der Hyperion hinweisen wollte.
Wir haben ihn auf einem grasbewachsenen Hang bestattet, der Ausblick bietet auf das Meer. Der Himmel war bedeckt, und es wehte ein kalter Wind, doch es hat nicht geregnet (jetzt regnet es – durch die Höhlenmündung dringt leises Rauschen herein). Captain Olssen hat aus der Bibel vorgelesen, Lorna, die Schottin, hat ein wundervolles Lied vorgetragen, und ein paar von Andrejs Freunden haben um ihn geweint. Ich habe auch geweint.
Dann gingen wir in die Höhle zurück. Olssen nahm mich und Keri McAllister beiseite. Er hat beschlossen, morgen gegen die Maschine vorzugehen und die Informationen von Wyschkows Karte zu nutzen. Olssen und McAllister wollen durch die Vorderluken einen Entlastungsangriff starten, während ich mit meiner Gruppe durch eine Lüftungsöffnung am Heck eindringen soll. Im Vertrauen darauf, dass Andrej sich nicht geirrt hat.
3. November 2127, 11:35
Es ist bald so weit. Wir sind zu acht – zwei Dreierteams sowie ich und Sandy Ferguson –, alle kampfbereit, ausgerüstet mit erbeuteten Kampfanzügen und verschiedenen Waffen. Olssen und McAllisters Leute haben drei Handfeuerwaffen, das Strahlengewehr und die eine Gaußpistole, wir haben die andere Gaußpistole, die noch zu achtzig Prozent geladen ist. Außerdem noch das übliche Arsenal altertümlicher Waffen, darunter Knüppel, Messer, Beile und Spieße sowie Wasserbomben für den Einsatz gegen ungeschützte stromführende Geräte wie die, die unsere ehemaligen Mitreisenden steuern.
Olssen hat gerade den Einsatzbefehl gegeben. Auf geht’s! Ferguson und ich warten am Eingang mit geschulterten Rucksäcken und plaudern und lachen, als ginge es zum Kanikuly, zum Picknick oder in den Urlaub. Vielleicht ist das gar keine so schlechte Einstellung. Auf jeden Fall ist es besser, als zum tausendsten Mal darüber zu spekulieren, weshalb die Bord-AI sich gegen uns gewendet hat.
Es ist jetzt 11:48, und ich packe das Tagebuch ein. Ich hoffe, dass ich es heute Abend weiterschreiben kann.
4. November 2127
(Kein Eintrag)
5. November 2127, 9:18
Das Monster ist tot, aber wir haben schwere Verluste erlitten.
Olssen und MacAllister sind vor uns los. Ihr Plan sah vor, mit dem Strahlengewehr die Außenkameras und Sensoren der Hyperion zu zerstören. Das gelang ihnen auch. Von unserem Waldversteck östlich des Schiffes aus konnten wir das hochfrequente Ratschen des Strahlengewehrs gerade so eben hören. Kurz darauf gab Olssen das Signal zum Vorrücken. Ferguson und ich schulterten die Ausrüstung und rannten auf das gewaltige Raumschiff zu. Die Hyperion ist etwa zwanzig Grad nach Steuerbord geneigt. Der aufgewühlte Erdboden ist von der zehn Tage zurückliegenden Landung noch verkohlt, doch es zeigen sich schon die ersten grünen Triebe.
Ferguson kletterte als Erster die dreißig Meter am Schiffsrumpf hoch bis zu der Stelle, wo ein großer, asymmetrischer Aufbau nach Backbord vorspringt – das ist der Hyperraumantrieb der
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