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Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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Meter weiter unten führte.
    ›Links von dir‹, hörte er Hora denken.
    Ohne den Kopf zu drehen, konnte Chest eine Gestalt im Gebüsch unter ihnen ausmachen, die dort zusammengekauert saß, als würde sie scheißen. Die leeren Augen des Mannes stierten verstohlen zu ihnen herauf, das bleiche Gesicht war übersät mit blutenden Geschwülsten.
    Sie gingen schweigend weiter, den Blick immer starr nach vorne, scheinbar ins Nichts gerichtet.
    ›Tonight make me unstoppable‹ , sang Hora in Gedanken. Das war sein Lieblingssong: The Prayer von Bloc Party. › I will charm, I will slice.‹ Er kicherte. Sein Gesicht war ohne jede Regung. Das wusste Chest.
    Der Mann verfolgte ihre Schritte über die Brücke. Er drehte den Kopf nur langsam, er glaubte, die beiden hätten ihn nicht entdeckt.
    ›Rechts‹, sagte Hora.
    Ein Kind. Eines der Augenhöhlen leer, in sich zusammengefallen wie ein verdorrter Apfel. Es stand am Pfeiler am Ende der Brücke im Schatten, so schlecht versteckt wie es nur Kinder tun konnten. An einem seiner Füße fehlte ein Schuh.
    ›Fünf oder sechs?‹, fragte Hora.
    ›Sieben‹, antwortete Chest. ›Hinter uns.‹
    › Lord, give me grace and dancing feet ‹ , sang Hora. Und dann meinte er: ›Mindestens drei hinter uns.‹
    Noch drei Schritte, dann waren sie bei jener Figur, die einst die Seele eines Kindes in sich getragen hatte. Der leere Mann im Gebüsch unten kam in Bewegung, er war flink. Wie eine Schlange wand er sich durch das dreckige, verdorrte Geäst und lief die Böschung herauf.
    › I will dazzle them with my wit ‹ , sang Hora.
    ›Träum weiter‹, erwiderte Chest. Er nahm den Stick zwischen die Lippen und begann, zu zählen: ›Eins, zwei, drei.‹
    Hora war nicht mehr an seiner Seite, bevor er noch das I von ›drei‹ richtig zu Ende gesprochen hatte. Chest hörte hinter sich einen Schlag, ein plumpes Keuchen, und dann fuhr seine eigene Faust gestreckt auf die Nase des hohlen Mannes nieder, während er mit dem Fuß das Kind davonkickte.
    Chest drückte die Nase in den Schädel ein, das morsche Gewebe darunter gab bedingungslos nach. Der Kerl sah jetzt aus wie eine Knetmassefigur, die von der Tischkante gefallen und auf dem Gesicht gelandet war.
    › Our bodies thrown in time. Silent on the weekdays ‹ , sang Hora in Chests Kopf.
    Aus den Augenwinkeln sah Chest das Kind zurückkommen, auf dem Boden kriechend wie eine behinderte Kakerlake. Der Fuß, dem der Schuh fehlte, war merkwürdig verdreht, wahrscheinlich aus dem Gelenk gerissen.
    Der Kerl mit dem eingedrückten Gesicht wankte stöhnend herum, immer um die eigene Achse. Chest gab ihm einen Stoß, er prallte gegen das Geländer, kippte vornüber und fiel auf die Gleise hinunter. Er platschte auseinander wie eine verfaulte Frucht.
    Hinter sich hörte Chest Schläge und das Heulen der Geprügelten.
    Er sah auf das Kind hinab, das nur noch einen Meter von ihm entfernt war. Chest ging in die Knie.
    »Wie alt war das Kind, ehe es starb?«, fragte er den kriechenden Leichnam.
    »Ich lebe«, krächzte das Ding. Das eine Auge rollte irre in der Höhle.
    »Natürlich lebst du. Aber wie alt warst du, als du deine Seele verleugnet hast?«
    Für einen winzigen Moment stand das Auge still, selbst die Kriechbewegung hörte auf. »Sieben«, schnarrte das Ding.
    ›Bild dir nichts drauf ein‹, meinte Hora.
    Chest grinste und stand auf.
    »Nur einen Krümel«, flehte das Kind und kroch wieder auf ihn zu.
    Chest sah ausdruckslos auf das Ding hinunter.
    »Sir, nur einen Krümel, oder schenkt mir den Tod! Bitte, Sir!« Die näselnde Stimme überschlug sich fast vor Winseln.
    »Ich wünschte, ich könnte dir den Tod schenken«, murmelte Chest.
    ›Wirst du rührselig? Haha!‹
    Chest hob den Fuß und ließ ihn mit Wucht auf den Kinderschädel hinunterfahren. Er stöhnte, als ihm klar wurde, dass er sich jetzt neue Schuhe besorgen musste.
    »Nicht rührselig«, sagte Chest, nahm den Stick zwischen Zeigefinger und Daumen der rechten Hand und blickte in das Gesicht Horas, das jetzt neben ihm auftauchte.
    Horas Miene war todernst, aber in Gedanken kicherte er. ›Alles nur aus Eigennutz, ich weiß! Tonight I claim what's mine! ‹
    Chest drehte sich um, und zusammen wanderten sie die Böschung hinunter. Er zog noch dreimal am Stick, dann warf er ihn weg.
    ›Sie werden immer modriger‹, dachte Hora, als sie fast am Ziel angekommen waren. ›Fünfzig Jahre geht das jetzt schon so.‹
    Chest antwortete nicht.
    Sie erreichten das schäbige Hochhaus,

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