Die Akte Veden
festgenommen? Warum konnte ich mit der Beschattung aufhören, als Chester aufgetaucht ist?«
»Nicht jetzt«, sagte Loki.
Tim musterte seinen Cousin. »Wirst du nach Kiel ziehen?«
»Sehe ich so aus, als hätte mich Vedens Wahnsinn angesteckt?«
Tim grinste. »Ich meine, wegen der Pathologin. Von einer Fernbeziehung kann ich dir jedenfalls abraten. Die halten nie.«
»Du musst es ja wissen, mein Lieber. Wie ich hörte, unterhältst du einige virtuelle Beziehungen zu Ausländerinnen über gewisse Internetportale.«
Ihm verging das Grinsen. »Warst du wieder in meiner Wohnung und an meinem PC?«
»Ich habe nur davon gehört. Außerdem vergiss nicht, dass es eine Wohnung in meinem Haus ist.«
Tim fluchte. Er wandte den Blick ab und zog an der Zigarette. Schweigend warteten sie auf Chester, der zehn Minuten später an die Tür klopfte, pünktlich um neunzehn Uhr. Er kam rein, setzte sich auf die Bettkante und stellte die Umhängetasche neben sich ab.
»Was haben Sie mit dem Direktor gemacht?«, fragte er ohne lange Vorrede.
Loki setzte ein überraschtes Gesicht auf. »Mit dem Direktor?«
»Spielen Sie nicht den Unschuldigen! Sir Veden hat sich für die ganze Woche krankgemeldet. Glauben Sie, er ist für das alles verantwortlich? Wenn ja, dann täuschen Sie sich.«
Loki lächelte. »Wirklich, tun wir das? Was verleitet dich zu dieser Annahme?«
»Ich kenne ihn einfach. Er könnte so etwas nie machen.«
»Sehr nobel von dir, für ihn Partei zu ergreifen«, erwiderte Loki und reichte Chester den Aschenbecher. »Du wirst verstehen, dass wir leider nicht darüber sprechen dürfen. Sei aber versichert, dass wir niemanden in Gewahrsam nehmen, der es nicht verdient hat.«
Chester sah missmutig aus. »Woher wollen Sie das wissen? Vielleicht haben Sie schon mehr Leute eingesperrt, die gar nichts getan haben und unschuldig sind.«
»Ganz sicher nicht.« Loki lächelte. »Wollen wir beginnen?«
»Lassen Sie mich ausrauchen.« Demonstrativ hob der Schülersprecher seine Zigarette hoch. Anschließend blieb er rauchend sitzen, ließ die Augen durch das Zimmer wandern und begegnete hin und wieder Lokis und Tims Blicken. Schließlich fiel ihm etwas ein, er bückte sich und öffnete die Umhängetasche. »Die hab ich heute Morgen, bevor ich wusste, was sie angerichtet haben, gekauft. Ich dachte mir, ich bin einfach mal nett. Inzwischen haben Sie die nicht mehr verdient. Ich wollte sie meinen Kumpels geben, aber sie waren nicht auf ihren Zimmern. Ihr Glück.« Er zog drei Flaschen Bier aus der Tasche, reichte eine Loki, die andere Tim. Die dritte behielt er und öffnete sie mit dem Feuerzeug, während er die Zigarette zwischen den Lippen hängen hatte.
Loki stellte seine Flasche auf dem Tisch ab und bedeutete Tim, es ihm nachzutun. Tim kannte Lokis Regel: kein Alkohol während der Arbeit. Seufzend kam er dem Befehl nach und beobachtete traurig Chester, der von seinem Bier trank.
Schließlich drückte der Schülersprecher die Zigarette aus und stellte sein Bier vor dem Bett ab. Er und Loki setzten sich wie am Abend zuvor auf die Matratze und schlossen die Augen. Tim streckte die Beine aus und machte es sich auf dem Stuhl so gemütlich wie es ging. Er fing an, wieder vor sich hinzudösen.
Die Stunde verging ohne Zwischenfälle. Dieses Mal rief auch kein aufgebrauchter Lünsmann an. Loki war es, der die Imagination unterbrach, indem er Chester darum bat, für heute aufzuhören.
»Wollen wir gemeinsam noch das Bier trinken? Vielleicht kann ich Sie doch davon überzeugen, dass Sir Veden nichts mit all dem zu tun hat«, sagte Chester.
Loki schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das geht nicht. Tim und ich werden dein Bier gerne trinken, aber alleine. Wir müssen uns noch besprechen. Ich danke dir herzlich für deine geopferte Zeit.« Er ging zur Tür und hielt sie auf.
Chester machte ein grimmiges Gesicht, folgte aber. Mit einem leisen »Tschüss«, verschwand er. Loki zog die Tür zu, ging zum Tisch und griff nach einer der Flaschen.
»Dann gute Nacht, mein Lieber«, sagte er.
Tim setzte sich auf. »Gute Nacht? Ich dachte, wir besprechen uns.«
»Es gibt nichts zu besprechen. Ich wollte nur Chester loswerden. Genieße das Bier, Johnny. Du hast ein wenig Ruhe verdient.« Er verschwand ebenfalls.
Kopfschüttelnd starrte Tim die Tür an, packte das Bier und öffnete es mit dem Feuerzeug. Er trank einen tiefen Schluck, stand auf und wollte absperren. Der Schlüssel war weg. Stirnrunzelnd sah er sich um, konnte ihn aber
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