Die Akte
bevor er es aufgab. Das zweite Fax kam von einem Lokalreporter für AP in New Orleans. Es war die Kopie eines Fotos, das zu Beginn ihres Studiums in Tulane aufgenommen worden war. Das Haar war länger. Irgendwo in der Mitte des Jahrbuchs hatte der Lokalreporter ein Foto von Darby Shaw gefunden, auf dem sie bei einem Picknick mit Kommilitonen eine Diät-Cola trank. Sie trug einen weiten Pullover und verblichene Jeans, die genau passten, und es war offensichtlich, dass es ein großer Bewunderer von Darby gewesen sein musste, der dieses Foto in das Jahrbuch aufgenommen hatte. Es sah aus wie ein Modefoto aus Vogue. Sie lachte über jemanden oder etwas. Die Zähne waren vollkommen, und das Gesicht war sympathisch. Er hatte das Foto an die kleine Korktafel neben seinem Schreibtisch geheftet.
Er hatte noch ein viertes Fax, ein Foto von Thomas Callahan. Nur der Vollständigkeit halber.
Er legte die Füße auf den Schreibtisch. Es war fast halb zehn, Dienstag. Die Redaktion summte, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, ein perfekt organisiertes Chaos. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er achtzig Telefonanrufe getätigt und nichts in der Hand außer den vier Fotos und einem Stapel von Listen mit Wahlkampfspenden. Er kam einfach nicht weiter, aber deshalb brauchte er sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Sie würde gleich anrufen.
Er überflog die Post und las die merkwürdige Story über einen gewissen Gavin Verheek und sein Hinscheiden. Das Telefon läutete. Es war Darby.
»Haben Sie die Post gesehen?« fragte sie.
»Sie scheinen zu vergessen, dass ich für die Post schreibe.«
Sie war nicht in der Stimmung für Belanglosigkeiten. »Die Story über den FBI-Anwalt, der in New Orleans ermordet wurde, haben Sie die gelesen?«
»Ich lese sie gerade. Hängt sie mit Ihnen zusammen?«
»So könnte man es ausdrücken. Hören Sie genau zu, Grantham. Callahan gab das Dossier an Verheek weiter, der sein bester Freund war. Am Freitag kam Verheek zu seiner Beisetzung nach New Orleans. Ich habe am Wochenende mit ihm telefoniert. Er wollte mir helfen, aber ich hatte Angst. Wir vereinbarten ein Treffen für gestern mittag. Verheek wurde gegen elf am Sonntagabend in seinem Zimmer ermordet. Sind Sie soweit mitgekommen?«
»Ja.«
»Verheek erschien nicht zu dem Treffen, weil er da bereits tot war. Ich bekam es mit der Angst zu tun und verließ die Stadt. Jetzt bin ich in New York.«
»Okay.« Grantham machte sich blitzschnell Notizen. »Wer hat Verheek umgebracht?«
»Das weiß ich nicht. Aber es steckt noch mehr dahinter. Ich habe die Post und die New York Times von der ersten bis zur letzten Seite gelesen und nichts gefunden über einen weiteren Mord in New Orleans. Es handelt sich um einen Mann, mit dem ich gesprochen habe, und den ich für Verheek hielt. Es ist eine lange Geschichte.«
»Das scheint mir auch so. Wann bekomme ich diese lange Geschichte?«
»Wann können Sie nach New York kommen?«
»Ich kann am Mittag dort sein.«
»Das wäre ein bisschen zu schnell. Verabreden wir uns für morgen. Ich rufe Sie morgen um die gleiche Zeit wieder an, mit Anweisungen. Sie müssen ungeheuer vorsichtig sein, Grantham.«
Er bewunderte die Jeans und das Lächeln auf der Korktafel. »Nennen Sie mich Gray, okay? Nicht Grantham.«
»Von mir aus. Es gibt ein paar sehr mächtige Leute, die Angst vor dem haben, was ich weiß. Wenn ich es Ihnen sage, könnte es Sie das Leben kosten. Ich habe die Leichen gesehen, Gray. Ich habe Bomben und Schüsse gehört. Gestern habe ich das Gehirn eines Mannes gesehen, und ich habe keine Ahnung, wer er war oder warum er getötet wurde. Aber er wusste über das Pelikan-Dossier Bescheid. Ich hielt ihn für meinen Freund. Ich vertraute ihm mein Leben an, und jemand schoss ihm in Gegenwart von fünfzig Leuten eine Kugel in den Kopf. Als ich zusah, wie er starb, kam mir der Gedanke, dass er vielleicht doch nicht mein Freund war. Dann habe ich noch ein wenig länger darüber nachgedacht, und mir ist klar geworden, dass er ganz bestimmt nicht mein Freund war.«
»Wer hat ihn getötet?«
»Darüber reden wir, wenn Sie hier sind.«
»Okay, Darby.«
»Da ist noch eine Kleinigkeit, die wir klarstellen müssen. Ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß, aber Sie dürfen nie meinen Namen nennen. Was ich geschrieben habe, reicht aus, dass mindestens drei Leute daran glauben mussten, und ich bin ziemlich sicher, dass ich die nächste sein werde. Aber ich will nicht noch mehr Probleme
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