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Die Akte

Titel: Die Akte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Altersgenossen schufteten unter ständigem Druck zweiundsiebzig Stunden pro Woche in irgendwelchen Anwaltskanzleien. Er hatte es zwei Jahre in einer privaten Firma ausgehalten. Ein Koloss in Washington mit zweihundert Anwälten hatte ihn direkt nach dem Studium in Georgetown eingestellt und ihn in ein winziges Büro gesteckt, in dem er in den ersten sechs Monaten ausschließlich Schriftsätze verfasst hatte. Dann wurde er an ein Fließband gesetzt, wo er zwölf Stunden täglich Beweisanfragen der Gerichte beantworten musste und man von ihm erwartete, dass er dafür sechzehn Stunden in Rechnung stellte. Ihm wurde gesagt, wenn es ihm gelänge, die nächsten zwanzig Jahre in die nächsten zehn zu zwängen, würde er es vielleicht schaffen, im reifen Alter von fünfunddreißig Partner zu werden.
    Callahan wollte älter werden als fünfzig, also zog er sich aus der Tretmühle des privaten Rechtswesens zurück. Er machte seinen Master of Law und wurde Professor. Er schlief morgens lange, arbeitete fünf Stunden am Tag, schrieb hin und wieder einen Artikel und freute sich die meiste Zeit seines Lebens. Da er keine Familie zu unterhalten hatte, war sein Gehalt von siebzigtausend im Jahr mehr als ausreichend für seinen zweigeschossigen Bungalow, seinen Porsche und seinen Whisky. Wenn er früh starb, dann würde es am Whisky liegen und nicht an zuviel Arbeit.
    Er hatte einiges geopfert. Viele seiner Studienkollegen waren Partner in großen Firmen mit eindrucksvollen Briefköpfen und einem Jahreseinkommen von einer halben Million Dollar. Sie verkehrten mit den großen Bossen von IBM und Texaco und State Farm. Sie hatten einen direkten Draht zu Senatoren und Büros in Tokio und London. Aber er beneidete sie nicht.
    Einer seiner besten Freunde von der Universität war Gavin Verheek, der gleichfalls aus dem privaten Rechtswesen ausgestiegen war und jetzt für die Regierung arbeitete. Zuerst war er in der Bürgerrechts-Abteilung des Justizministeriums gewesen, dann war er zum FBI versetzt worden. Jetzt war er beratender Anwalt des Direktors. Callahan musste am Montag zu einer Tagung von Verfassungsrechtlern nach Washington. Er und Verheek hatten vor, am Montagabend zusammen zu essen und sich zu betrinken.
    Er musste anrufen, um das Essen und Trinken zu bestätigen und Verheek auszufragen. Er wählte die Nummer aus dem Kopf. Dann wurde er von einem Apparat zum anderen weitergereicht, und nachdem er fünf Minuten lang verlangt hatte, Gavin Verheek zu sprechen, war sein Freund am Apparat.
    »Bitte ganz kurz«, sagte Verheek.
    »Wie schön, deine Stimme zu hören«, sagte Callahan.
    »Wie geht es dir, Thomas?«
    »Es ist halb elf. Ich bin noch nicht angezogen. Ich sitze hier im French Quarter, trinke Kaffee und schaue den Fußgängern auf der Dauphine nach. Was tust du?«
    »Was für ein Leben. Hier ist es halb zwölf, und ich bin nicht aus dem Büro herausgekommen, seit am Mittwochmorgen die Toten gefunden wurden.«
    »Mir ist speiübel, Gavin. Er wird zwei Nazis nominieren.«
    »Nun, in meiner Position darf ich mich zu derartigen Angelegenheiten natürlich nicht äußern. Aber ich vermute, du hast recht.«
    »Komm mir nicht mit Vermutungen. Du hast doch bestimmt schon seine Kandidatenliste gesehen, oder etwa nicht, Gavin? Bestimmt stellt ihr schon die nötigen Nachforschungen an. Komm schon, Gavin, mir kannst du es doch verraten. Wer steht auf der Liste? Ich sage es nicht weiter.«
    »Und ich auch nicht, Thomas. Aber eins kann ich dir versichern - dein Name steht nicht darauf.«
    »Ich bin zutiefst verletzt.«
    »Wie geht es dem Mädchen?«
    »Welchem?«
    »Deinem natürlich.«
    »Sie ist schön und brillant und sanft und zärtlich...«
    »Mach weiter.«
    »Wer hat sie umgebracht, Gavin? Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Ich bin Steuerzahler und habe ein Recht darauf, zu erfahren, wer sie umgebracht hat.«
    »Wie heißt sie?«
    »Darby. Wer hat sie umgebracht und warum?«
    »Du hattest immer ein Faible für Namen, Thomas. Ich erinnere mich an Frauen, von denen du nichts wissen wolltest, weil dir ihr Name nicht gefiel. Großartige, tolle Frauen, aber mit nichtssagenden Namen. Darby. Klingt irgendwie erotisch. Was für ein Name. Wann lerne ich sie kennen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ist sie bei dir eingezogen?«
    »Das geht dich nichts an. Gavin, hör mir endlich zu. Wer hat es getan?«
    »Liest du keine Zeitungen? Wir haben keine Verdächtigen. Überhaupt nichts. Nada.«
    »Aber ein Motiv habt ihr doch

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