Die Akte
schrie sie über die Schulter an, etwas von der Art, dass er betrunken besser fahren könnte als sie nüchtern. Sie blieb zurück. Sie war schon mit ihm gefahren, wenn er in einer derartigen Verfassung war, und sie wusste, was ein Betrunkener in einem Porsche anrichten kann.
Er überquerte die Straße blindlings, die Hände in den Taschen, als unternähme er einen spätabendlichen Spaziergang. Er schätzte die Bordsteinkante falsch ein, traf sie mit den Zehen statt mit der Fußsohle, stürzte fluchend auf den Gehsteig, rappelte sich aber wieder auf, bevor sie ihn erreichen konnte. Lass mich verdammt noch mal in Ruhe, herrschte er sie an. Bitte, gib mir die Schlüssel, sonst gehe ich zu Fuß. Er stieß sie beiseite. Viel Vergnügen, sagte er mit einem Auflachen. Sie hatte ihn noch nie so betrunken erlebt. Er hatte sie noch nie im Zorn angerührt, weder betrunken noch nüchtern.
Gegenüber dem Parkplatz war eine schmierige kleine Kneipe mit Neonreklamen für Bier in den Fenstern. Sie warf einen hilfesuchenden Blick durch die offene Tür und dachte gleichzeitig, wie blöde. Die Kneipe war voll von Betrunkenen.
Sie rief ihm nach, als er sich dem Porsche näherte. »Thomas! Bitte! Lass mich fahren!« Sie stand auf dem Gehsteig, aber weiter wollte sie nicht gehen.
Er torkelte weiter, bedeutete ihr zu verschwinden, murmelte vor sich hin. Dann schloss er die Tür auf, bückte sich und verschwand zwischen den anderen Wagen. Der Motor sprang an und heulte auf, als er Gas gab.
Darby lehnte sich ein paar Meter von der Parkplatzausfahrt entfernt an die Seite des Gebäudes. Sie schaute die Straße hinunter und hoffte beinahe auf einen Polizisten. Sie würde ihn lieber verhaftet sehen als tot.
Es war zu weit, um zu Fuß zu gehen. Sie würde zusehen, wie er davonfuhr, dann ein Taxi bestellen und ihn danach eine Woche lang ignorieren. Mindestens eine Woche. Viel Vergnügen, wiederholte sie in Gedanken. Er gab wieder Gas und ließ die Reifen quietschen.
Die Explosion schleuderte sie auf den Gehsteig. Sie landete auf allen Vieren, mit dem Gesicht nach unten, eine Sekunde lang betäubt, spürte dann aber sofort die Hitze und die winzigen brennenden Trümmer, die auf die Straße fielen. Sie starrte voller Grausen auf den Parkplatz. Der Porsche flog in die Luft, vollführte einen perfekten Salto und landete auf dem Dach. Reifen, Türen und Kotflügel rissen ab. Der Wagen war ein greller Feuerball, eine Masse aus prasselnden Flammen, die ihn sofort verschlangen.
Darby stürzte auf ihn zu, schrie seinen Namen. Trümmer regneten um sie herum herab, und die Hitze ließ sie innehalten. Sie blieb zehn Meter entfernt stehen, schrie mit der Hand vor dem Mund.
Dann schleuderte eine zweite Explosion den Wagen abermals in die Luft und trieb sie zurück. Sie stolperte, und ihr Kopf schlug hart auf die Stoßstange eines anderen Wagens. Das Pflaster fühlte sich heiß an unter ihrem Gesicht, und das war das letzte, woran sie sich einen Augenblick später erinnern konnte.
Die Kneipe leerte sich, und die Betrunkenen waren überall. Sie standen auf dem Gehsteig und starrten. Ein Paar versuchte näher heranzukommen, aber die Hitze rötete ihre Gesichter und hielt sie fern. Dicker schwarzer Rauch stieg aus dem Feuerball auf, und binnen Sekunden brannten zwei weitere Wagen. Es gab Entsetzensschreie und panische Stimmen.
»Wem gehört der Wagen?«
»911 anrufen!«
»War jemand drin?«
»911 anrufen!«
Sie zerrten sie an den Ellbogen zurück auf den Gehsteig, in die Mitte der Menge. Sie wiederholte den Namen Thomas. Von irgendwoher kam ein kaltes Tuch und wurde ihr auf die Stirn gelegt.
Die Menge wurde dichter, auch auf der Straße waren Leute. Sirenen, sie hörte Sirenen, als sie wieder zu sich kam. An ihrem Hinterkopf war eine Beule und auf ihrem Gesicht etwas Kaltes. Ihr Mund war trocken. »Thomas, Thomas«, wiederholte sie.
»Ist schon gut, ist schon gut«, sagte ein schwarzes Gesicht dicht über ihr. Der Mann hielt behutsam ihren Kopf und tätschelte ihren Arm. Andere Gesichter schauten auf sie herab. »Ist schon gut.«
Jetzt kreischten die Sirenen. Sie nahm vorsichtig das Tuch ab, und ihr Blick wurde wieder klar. Auf der Straße blitzten rote und blaue Lichter. Die Sirenen gellten ohrenbetäubend. Sie setzte sich auf. Sie lehnten sie an die Hauswand unterhalb der Neon-Bierreklamen. Sie wichen zurück, beobachteten sie aufmerksam.
»Alles in Ordnung, Miss?« fragte der Schwarze.
Sie konnte nicht antworten. Versuchte es gar nicht erst.
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