Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
ein Bussard.
»Meinen Sie das Gemälde?«
»Tu ich das?«
»Oder das Ritual dahinter?« Svenson lächelte freundlich. »Ein Mann wie der Comte d’Orkancz würde in dem Ding eine Rezeptur sehen. Weil er völlig übergeschnappt war.«
Svenson zog eine zerknitterte Zigarette aus der Tasche und zündete sie an, ohne auf Kellings Erlaubnis zu warten. Er stieß den Rauch aus. »Wissen Sie, was mit dem Comte passiert ist?«
»Er ist im Luftschiff gestorben«, antwortete Kelling.
Doktor Svenson nahm einen weiteren Zug und schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Kelling. Er ist in der Hölle .«
Er wurde von den Grenadieren in einen anderen Raum gebracht, da man Kelling fortgerufen hatte, der, Svensons Ansicht nach, froh darüber war. Kelling war genau die Sorte Hofschranze, mit deren Abneigung Svenson so oft hatte zurechtkommen müssen, um den Prinzen zu schützen. Männer, deren Selbsteinschätzung mit der ihrer Herren eins geworden war. Svensons Weigerung, sich dem zu fügen, hatte ihn gesellschaftlich zum Außenseiter gemacht.
Doch schlimmer als die Gesellschaft Kellings war die seines vernachlässigten Herzens. Jetzt, da er allein war, kehrten die Schuldgefühle zurück. Francesca. Eloise. Die Contessa.
Ein Soldat trat mit einem Holzteller mit Brot und Fleisch und einem Krug Bier ein. Svenson trank das Bier mit einem Zug zur Hälfte leer, stellte sich das Tablett auf den Schoß und zwang sich, jeden Bissen zu kauen. Das Brot, schon vor Stunden geschnitten, war hart geworden, und das graue Rindfleisch stank nach Essig. Doch er aß alles auf, leerte den Krug und trug beides zur Tür.
Als der Wachmann das Geschirr holte, blickte Svenson hinaus.
»Darf ich mir vielleicht die Beine vertreten?«, fragte er. »Ich hatte nur wenig Schlaf, und wenn ich nicht ein bisschen herumlaufe, breche ich zusammen.«
»Warum nicht jetzt schlafen?«
»Dafür ist keine Zeit. Mr. Schoepfil sagt, wir müssen aufbrechen. Und ich brauche einen klaren Kopf.«
Er holte seine letzten beiden Zigaretten hervor und bot eine dem Grenadier an, der – geschmeichelt – ablehnte. Svenson steckte sie weg, zündete die andere an und zeigte auf den schmalen Gang. »Einfach hier?«
Der Wachmann hatte nichts dagegen, und Svenson ging zum Fenster. Die Nacht war hereingebrochen, und sein Blick erhaschte eine Bewegung draußen: ein Mann in einer weißen Jacke mit gefesselten Händen wurde von Soldaten zu einem Pferdestall gezerrt. Mit ein paar Schritten Abstand folgte Kelling. Vielleicht eine Minute später kehrten Kelling und der Grenadier allein zurück.
In der Ferne ertönte das Schlagen von Türen. Svenson schlenderte zum Ende des Gangs zurück und sah gerade noch die Contessa mit einer Eskorte von Wachmännern.
» Da sind Sie!«, rief sie mit solcher Selbstverständlichkeit, dass die Soldaten ihr erlaubten, auf Svenson zuzugehen. Er verbeugte sich, als sie näherkam.
»Die Contessa di Lacquer-Sforza«, sagte er zu seinem Wachmann, »eine Dame aus Venedig.«
Die Antwort des Wachmanns und das Bedürfnis ihres eigenen Wachmanns dazwischenzugehen, wurden von ihr übertönt. »Doktor Svenson, Gott sei Dank. Ich war gerade bei Ihrer Majestät« – das galt eindeutig den Wachmännern – »und ich wollte mit Mr. Schoepfil sprechen – aber wie Sie sehen, habe ich jetzt womöglich keine Zeit dazu. Wegen Ihrer Majestät.« Sie zeigte an Svenson vorbei. »Haben Sie dort auf mich gewartet? Können wir sprechen?«
»Ich stehe zu Ihren Diensten«, erwiderte Svenson.
»Mr. Schoepfil will, dass Sie warten«, gelang es einem ihrer Wachmänner einzuwerfen.
»Natürlich werde ich warten«, rief sie. »Aber wenn die Königin meine Anwesenheit verlangt, was schlagen Sie dann vor? Auf diese Weise kann ich Doktor Svenson meinen eigenen Bericht über die Angelegenheit geben, damit er ihn – gegebenenfalls – weiterleitet. Verstehen Sie?«
Sie ging den Gang mit den Fenstern entlang, wobei unsichtbare Absätze auf dem Fußboden wie Hufe eines Dressurpferdes klapperten. »Ich werde klopfen, wenn ich fertig bin«, teilte sie dem Wachmann mit. »Was ist das, Bier? Noch zwei davon, bitte. Ich bin am Verdursten.«
Sie rauschte in den Raum und ließ sich auf dem einzigen Stuhl nieder. Svenson lächelte dem Wachmann entschuldigend zu und wollte die Tür schließen.
»Das Bier!«, fauchte die Contessa.
Sie ordnete ihr Kleid. Die Gruppe Soldaten starrte an ihm vorbei zu der Frau. Svenson nahm das Bier entgegen und stieß mit dem Fuß die Tür zu.
»Worauf warten Sie,
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