Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
blieb am Gitter hängen, aber Svenson löste es wieder, und sie war durch.
»Es stinkt furchtbar!«, rief sie. Chang kroch ebenfalls hindurch. Er kniete sich neben Miss Temple, und einen Moment lang waren die beiden allein, während Svenson und Phelps jeweils darauf bestanden, dass der andere zuerst ging.
»Ich war dumm«, sagte sie leise. »Es tut mir leid.«
Chang wusste nicht, ob sie damit meinte, zu dem Tor am Dock gerannt zu sein oder dass sie sich in den Wäldern von Parchfeldt geküsst hatten. Er hatte noch nie gehört, dass sich Miss Temple für etwas entschuldigte.
»Was geschehen ist, ist geschehen.« Er griff nach Svensons umhertastender Hand.
Wo Miss Temple leicht gebückt durchkam, mussten sich die Männer tief hinunterbeugen. Chang rief gereizt nach vorn: »Wissen Sie, wo uns das hinführt?«
»Nein. Wollen Sie lieber umkehren?«
Mr. Phelps nieste. Svenson kramte in seinen Taschen, und dann flammte ein Streichholz auf. Der Tunnel, dessen Wände schwarz und mit Resten von Chemikalien gesprenkelt waren, führte viel weiter, als das Licht des Streichholzes reichte. Svenson nutzte die Gelegenheit, um sich eine Zigarette anzuzünden, und sprach, während er die Spitze zum Glühen brachte.
»Die Haupttore werden bestimmt bewacht, und wir können kaum etwas gegen sie ausrichten.« Das Streichholz war bis zu seinen Fingerspitzen heruntergebrannt, und Svenson ließ es fallen, wobei die Flamme auf halbem Weg erlosch.
»Ich möchte gern ein Paar Schuhe«, sagte Chang.
»Und ich möchte gern Ihren Rücken untersuchen«, erwiderte der Doktor.
»Solange wir im Dunkeln verfolgt werden, werden wir das wohl verschieben müssen.«
»Vielleicht finden wir diesen Mann wieder«, sagte Phelps, »mit dem weißen Haar …«
»Sein Name ist Foison.«
»Ich glaube, ich habe ihn schon früher einmal gesehen.«
»Warum haben Sie das nicht gesagt?«, fauchte Chang.
»Ich war mir nicht sicher – und wir waren auf der Flucht!«
»Wo haben Sie ihn gesehen?«, fragte Svenson.
»Das muss in Harschmort gewesen sein – schon ewig her. Nicht dass er etwas gesagt hätte, aber wenn man einem mächtigen Mann dient, wie ich dem Herzog von Stäelmaere, achtet man auf die Diener der anderen.«
»Also war er Robert Vandaariffs Mann?«, fragte Svenson.
»Aber in Vandaariffs Körper steckt jemand anders«, sagte Miss Temple. »Robert Vandaariff existiert nicht mehr.«
»Weiß Mr. Foison das?«
»Was sollte es ihn kümmern?«, fragte Miss Temple, während sie weiterging. »Der Mann ist ein Verbrecher. Ich finde, Sie hätten ihn töten sollen. Die Luft hier ist wärmer – merken Sie das … Ist hier eine Verbindungsstelle zu einem anderen Tunnel?«
Der Doktor entzündete ein zweites Streichholz. Chang wandte den Blick von der Flamme ab und bemerkte, dass sich über ihnen im Zement eine perforierte Luke befand.
»Hier ist es …«
Er steckte die Finger hindurch, öffnete die Luke und zog sich dann in die Dunkelheit hoch, wo seine nackten Füße kalten Stein berührten. Das Streichholz des Doktors erlosch, und er zündete ein neues an. Chang reichte Miss Temple die Hand.
»Und so entkam Persephone aus der Unterwelt …«
Auf die Bemerkung hin machte sie einen Schmollmund, ergriff jedoch seine Hand mit ihren beiden Händen. Er zog sie herauf und half dann Phelps. Der Doktor stand unter der Lukenöffnung und hielt das Streichholz in die Höhe. Miss Temple lachte laut.
»Ich bin eine Gans! Sehen Sie hier!« Aus ihrer Tasche zog sie einen Bienenwachsstummel und reichte ihn Svenson, damit er ihn anzündete. »Ich hatte ihn ganz vergessen!«
»Du meine Güte«, murmelte Phelps missmutig.
Chang teilte die Empfindung, war jedoch froh zu sehen, wo sie waren: ein quadratischer Raum mit einem gepflasterten Fußboden. Entlang der Wände war Stroh ausgestreut, und in regelmäßigen Abständen – fast wie in einem Kunstsalon – waren lange Rechtecke an die Wände geschraubt.
Doktor Svenson schnupperte. »Essig. Als hätte man den Raum geschrubbt.«
Miss Temple nahm ihm die Kerze ab und trat vor eine Wand. »Schauen Sie sich das Stroh an«, sagte sie. »Es ist aus diesem Jutesack …«
Die Sackreste waren mit groben Gesichtern bemalt, und im Stroh verbargen sich Fetzen von Kleidung.
»Strohpuppen«, sagte Chang. »Testobjekte …« Beim Näherkommen stellte er fest, dass die Rechtecke aus unterschiedlichem Material bestanden: gehämmerter Stahl, geschmolzenes Eisen, Messing, Eiche, Teak, mit Eisennägeln gespicktes Ahorn. Und
Weitere Kostenlose Bücher