Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Thurm, belud sein Maulthier damit, führte es heraus und leitete es vorsichtig den dunkeln Weg abwärts.
Der ehrliche Lope hatte diese Maßregeln in der größten Stille genommen, und sie niemanden, als dem treuen Weibe seines Herzens mitgetheilt. Durch irgend eine wunderbare Offenbarung jedoch waren sie dem Pater Simon bekannt geworden. Der eifrige Mönch sah diese heidnischen Schätze auf dem Punkt, seinen Krallen auf immer entrissen zu werden, und beschloß, zum Besten der Kirche und des h. Franziskus, noch einen Griff in dieselben zu thun. Als daher die Glocken zu den
animas
[Fußnote:
Animas,
das Abendgeläute, um an die Fürbitte für die Seelen im Fegfeuer zu erinnern.] geläutet hatten, und die ganze Alhambra still war, schlich er sich aus seinem Kloster, eilte durch das Thor der Gerechtigkeit nieder und verbarg sich im Dickicht der Rosen und Lorbeern, welche den großen Zugang säumen. Hier blieb er und zählte die Viertelstunden, wenn die Uhr auf dem Wartthurm schlug und lauschte auf das schauerliche Geheul der Eulen und das ferne Bellen der Hunde aus den Zigeunerhöhlen.
Endlich hörte er Fußtritte und sah durch das Düster der überschattenden Bäume etwas, das wie ein Lastthier aussah, den Weg herabkommen. Der stämmige Mönch schmunzelte bei dem Gedanken, welchen klugen Streich er dem guten Lope zu spielen im Begriff stehe.
Er band seine Kutte auf und krümmte sich wie eine Katze, die eine Maus auf dem Korn hat, und harrte so, bis sein Raub gerade vor ihm war, wo er aus seinem laubigen Versteck hervorbrach, eine Hand auf das Schulterblatt, die andere auf das Kreuz legte, und einen Sprung machte, der dem geübtesten Stallmeister Ehre gemacht hätte, und sich rittlings auf dem Thiere festsetzte. »Aha,« sagte der stämmige Mönch, »jetzt wollen wir sehen, wer das Spiel am besten versteht.« Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als das Thier anfing auszuschlagen, sich zu bäumen, und Sätze zu machen, und dann in vollem Lauf den Berg hinabschoß. Der Mönch versuchte, das Thier aufzuhalten, aber vergebens. Es sprang von Fels zu Fels, von Busch zu Busch; des Mönchs Kutte war in Fetzen verrissen und flatterte im Wind; sein geschorner Schädel erhielt manchen harten Schlag von den Baumästen und manche Schramme von dem Gesträuch. Um seinen Schrecken und Jammer zu vermehren, sah er eine Meute von sieben Hunden in vollem Bellen an seinen Fersen und bemerkte zu spät, daß er sich wirklich auf den schrecklichen Belludo geschwungen hatte.
Fort stürmten sie in Windes-Eile, den großen Weg hinab, über die Plaza Nueva, den Zacatin entlang, um die Vivairambla – nie flogen Jäger und Hund so pfeilschnell dahin oder machten einen so höllischen Lärm. Vergebens rief der Mönch jeden Heiligen des Kalenders an, und die gebenedeite Jungfrau obendrein; so oft er einen Namen dieser Art nannte, wirkte es wie ein frischer Spornstoß und verursachte, daß der Belludo einen haushohen Satz machte. Den übrigen Theil der Nacht hindurch wurde der unglückliche Pater Simon dahin und dorthin und wohin er nicht wollte geführt, bis jeder Knochen an seinem Leib mürb war und er sich zu erbärmlich wund geritten hatte, als daß man dessen gedenken möchte. Wieder ging es über die Vivairambla, den Zacatin, die Plaza Nueva und den Brunnenweg, und die sieben Hunde heulten und bellten und sprangen empor und schnappten nach den Fersen des erschreckten Paters. Der erste Morgenstrahl schoß eben empor, als sie den Thurm erreichten; hier schlug das Koboldpferd kräftig hinten aus und schickte den Mönch mit einem Burzelbaum durch die Luft und stürzte, gefolgt von der höllischen Meute, in das dunkle Gewölbe und ein tiefes Schweigen folgte dem eben noch so betäubendem Lärm.
Ist jemals einem Mönch solch ein verteufelter Streich gespielt worden? Ein Bauer, der mit der Dämmerung an seine Arbeit ging, fand den unglücklichen Pater Simon am Fuß des Thurms unter einem Feigenbaum liegen, aber so zerquetscht und zerschellt, daß er weder sprechen noch sich regen konnte. Er wurde mit aller Sorgfalt und Aufmerksamkeit in seine Zelle geführt und das Gerücht verbreitete sich, Räuber hätten ihn angegriffen und mißhandelt. Ein oder zwei Tage vergingen, ehe er wieder zum Gebrauch seiner Glieder kam; er tröstete sich mittlerweile mit dem Gedanken, daß er, obgleich ihm das Maulthier mit dem Schatz entgangen war, doch vorläufig einen guten Theil von der heidnischen Beute wegbekommen hätte. Als er sich wieder bewegen konnte, war
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