Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
wie immer auf den verborgenen Schein seines Glückes schauen. »Mit Eurer Erlaubniß, holde Damen,« dachte Lope Sanchez, als er zwischen ihnen durchging: »ich will Euch von Eurem Dienste, der die vergangenen zwei oder drei Jahrhunderte so schwer auf Euern Herzen gelastet haben mag, erlösen.« Demnach begann er an dem von ihm bezeichneten Theil der Wand seine Arbeit und öffnete nach einer kleinen Weile eine versteckte Vertiefung, in welcher zwei große Porzelankrüge standen. Er versuchte sie hervorzurücken, aber sie waren unbeweglich, bis die unschuldige Hand seines Töchterchens sie berührte. Mit ihrer Hülfe brachte er sie aus der Nische und sah zu seiner großen Freude, daß sie mit maurischen Goldstücken, nebst Juwelen und Edelsteinen gefüllt waren. Vor Tagesanbruch wußte er sie in seine Stube zu bringen und verließ die zwei wachhabenden Statüen mit ihren an die leere Wand gerichteten Augen.
So war Sanchez plötzlich ein reicher Mann geworden; aber der Reichthum brachte, wie gewöhnlich, eine Welt voll Sorgen mit sich, denen er bisher gänzlich fremd gewesen war. Wie sollte er seinen Schatz sicher wegbringen? Wie sollte er sich desselben nur erfreuen, ohne Verdacht zu erregen? Zum ersten Mal in seinem Leben erwachte jetzt auch die Furcht vor Räubern in seiner Seele. Er blickte mit Schauer und Schrecken auf das Unsichere seiner Wohnung und begab sich daran, Thüren und Fenster zu verrammeln und zu vermachen; nach allen diesen Vorsichtsmaßregeln konnte er aber doch nicht ruhig schlafen. Seine gewöhnliche Heiterkeit war dahin, er hatte für seine Nachbarn keinen Scherz und keine Lieder mehr und kurz, er wurde das unglücklichste Geschöpf in der Alhambra. Seine alten Kameraden bemerkten seine Veränderung, bemitleideten ihn von Herzen und fingen an, ihn zu verlassen, indem sie dachten, er müsse in Noth versunken seyn und Gefahr laufen, sie um Hülfe ansprechen zu müssen. Der Gedanke, daß sein ganzes Elend Reichthum sey, lag ihnen sehr fern.
Die Frau unseres Lope Sanchez theilte seine Angst, aber sie hatte dafür geistlichen Trost. Wir hätten schon früher erwähnen sollen, daß, da Lope ein etwas leichter, unbesonnener kleiner Mann war, seine Frau sich gewöhnt hatte, in allen wichtigen Gegenständen den Rath und Beistand ihres Beichtvaters, des Pater Simon zu suchen, eines starken, breitschultrigen, blaubärtigen, rundköpfigen Mönchs aus dem nahen Franziskanerkloster, welcher in der That der geistliche Tröster der Hälfte der guten Weiber der Umgegend war. Er war außerdem in großer Achtung in verschiedenen Nonnenklöstern, welche ihm seine geistlichen Dienste durch häufige Geschenke von jenen Leckereien und Spielereien, die in Klöstern gemacht werden, belohnten, als da sind köstliches Eingemachtes, Zuckerbrot und Flaschen würziger Herzstärkungen, welche sich nach Fasten und Wachen als treffliche Erquickung auswiesen.
Pater Simon gedieh in der Ausübung seiner Pflichten. Sein öhliges Gesicht glänzte in dem Sonnenschein, wenn er sich an einem heißen Tag den Hügel der Alhambra herauf arbeitete. Bei allen Annehmlichkeiten seiner Lage zeigte aber doch das knotige Seil um seinen Leib die Strenge der Zucht, die er gegen sich selbst übte; die Menge zog die Mützen vor ihm als einem Spiegel der Frömmigkeit, und selbst die Hunde spürten den Geruch der Heiligkeit, welcher seiner Kutte entströmte und heulten aus ihren Löchern, wenn er vorüberging.
Dieser Art war Pater Simon, der geistliche Rathgeber des holdseligen Weibes von Lope Sanchez; und da der Beichtvater der innigste Vertraute der Frauen in Spanien ist, so war er bald, im größten Geheimniß, mit der Geschichte des verborgenen Schatzes bekannt.
Der Mönch sperrte Mund und Augen auf und bekreuzte sich zwölfmal bei dieser Nachricht. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Tochter meiner Seele. Wisse, dein Mann hat eine doppelte Sünde begangen – eine Sünde gegen den Staat und die Kirche. Der Schatz, den er so für sich behalten hat, ist in den Besitzungen des Königs gefunden worden und gehört folglich der Krone; da er aber den Ungläubigen gehörte und gewissermaßen den Klauen des Satans entrissen worden ist, sollte er der Kirche geweiht seyn. Doch läßt sich die Sache immer noch beilegen. Bringe den Myrthenkranz hieher.«
Als der gute Pater diesen sah, glänzten seine Augen mehr denn je vor Bewunderung der Größe und Schönheit der Smaragde. »Da dieses die ersten Früchte dieser Entdeckung sind,« sagte er, »sollte es
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