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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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    Aus den Hütten unten an der Alhambra, in dem Darrothale, wurde jetzt das Krähen eines Hahnes schwach gehört und ein blasser Lichtstreifen begann sich über den östlichen Bergen zu zeigen. Ein leichter Wind erhob sich und es klang wie das Rascheln dürrer Blätter in den Höfen und Gängen, und Thüre um Thüre schloß sich mit knarrendem Tone.
    Sanchica kehrte durch die Räume zurück, welche sie vor kurzem noch mit der Schattenmenge angefüllt sah, aber Boabdil und sein Scheinhof waren verschwunden. Der Mond schien in leere Säle und Galerien, ihres vorübergehenden Glanzes beraubt, befleckt und von der Zeit verderbt und mit Spinnengewebe behangen. In dem ungewissen Licht flatterte die Fledermaus umher und in dem Fischteich krächzte der Frosch.
    Sanchica eilte nun so viel sie konnte zu einer fernen Treppe, welche zu der ärmlichen Wohnung führte, die ihre Familie einnahm. Die Thüre war, wie gewöhnlich, offen, denn Lope Sanchez war zu arm, um Riegel oder Schloß zu bedürfen. Sie suchte still ihr Lager, legte den Myrthenkranz neben sich und versank alsbald in Schlaf.
    Am Morgen erzählte sie ihrem Vater alles, was ihr begegnet war. Lope Sanchez aber betrachtete das Ganze als einen bloßen Traum und lachte das Kind wegen seiner Leichtgläubigkeit aus. Er ging seiner gewöhnlichen Arbeit in dem Garten nach, war aber noch nicht lange da, als sein Töchterchen fast athemlos gelaufen kam. »Vater, Vater!« rief sie: »sieh den Myrthenkranz, den mir die Maurische Dame um den Kopf gewunden hatte.«
    Lope Sanchez sah mit Erstaunen hin, denn der Stengel der Myrthe war von lauterm Gold und jedes Blatt war ein funkelnder Smaragd. Da er nicht viel mit Edelsteinen zu schaffen gehabt hatte, kannte er den wirklichen Werth des Kranzes nicht, aber sah genug, um sich für überzeugt zu halten, daß er etwas Wesentlicheres sey, als die Dinge, aus denen die Träume gewöhnlich bestehen, und daß das Kind auf jeden Fall nicht ganz vergeblich geträumt habe. Seine erste Sorge war, seiner Tochter das unbedingteste Stillschweigen anzubefehlen; in dieser Beziehung war er jedoch sicher, denn sie war verschwiegener, als ihre Jahre und ihr Geschlecht erwarten ließen. Er ging nun in das Gewölbe, in welchem die Statüen der zwei Nymphen von Alabaster standen. Er sah, daß ihre Köpfe von dem Eingang abgewendet und daß die Blicke einer jeden auf dieselbe Stelle in dem Innern des Gebäudes gerichtet waren. Lope Sanchez konnte diese sehr kluge Erfindung, ein Geheimniß zu bewahren, nur bewundern! Er zog eine Linie von den Augen der Statüen zu dem Punkte, auf den ihr Blick geheftet war, machte ein heimliches Zeichen auf die Wand und ging weg.
    Lope Sanchez’s Geist war jedoch den ganzen Tag von tausend Sorgen beunruhigt. Er konnte nicht umhin, die Statüen von fern im Auge zu behalten und wurde fast krank aus Angst, das goldene Geheimniß möchte entdeckt werden. Jeder Fußtritt, welcher sich dem Ort näherte, machte ihn beben. Er hätte alles drum gegeben, hätte er die Köpfe der Statüen nur wenden können, und vergaß ganz, daß sie schon mehrere Jahrhunderte in derselben Richtung blickten, ohne daß darum jemand klüger geworden wäre.
    »Hol’ sie der Henker,« sagte er zu sich selbst: »sie werden alles verrathen; hat je ein Mensch gehört, daß man ein Geheimniß so bewahrt?« Wenn er dann jemand kommen hörte, stahl er sich weg, als ob sein Weilen so nahe an diesem Orte Verdacht erregen könnte. Dann kehrte er vorsichtig zurück, schaute von ferne hin, um zu sehen, ob noch alles bei’m alten wäre, aber der Anblick der Statüen erweckte wieder seinen ganzen Unwillen. »Ach, da stehen sie,« sagte er, »und sehen und sehen und sehen immer dahin, wohin sie nicht sehen sollten. Wären sie bei’m Henker! Sie sind, wie alle ihres Geschlechtes; wenn sie keine Zungen haben, mit denen sie plaudern können, so thun sie’s gewiß mit ihren Augen.«
    Der ängstliche Tag näherte sich endlich zu seiner Freude seinem Ende. In den hallenden Sälen der Alhambra vernahm man keine Fußtritte mehr; der letzte fremde Besucher überschritt die Schwelle, das große Thor wurde verriegelt und vermacht, und die Fledermaus und der Frosch und die heulende Eule nahmen allmählig wieder ihre nächtlichen Rechte in dem verlassenen Palast in Anspruch.
    Lope Sanchez wartete aber, bis die Nacht weit vorgeschritten war, ehe er sich mit seiner kleinen Tochter in den Saal der zwei Nymphen wagte. Er fand sie so verschwiegen und geheimnißvoll

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