Die Alpen
gebunden,
Ein ungeheuchelt Wort bekennet, was ihn rührt;
Sie hört ihn und, verdient sein Brand ihr Herz zum Lohne,
So sagt sie, was sie fühlt, und tut, wornach sie strebt;
Dann zarte Regung dient den Schönen nicht zum Hohne,
Die aus der Anmut fließt und durch die Tugend lebt.
Verzüge falscher Zucht, der wahren Keuschheit Affen,
Der Hochmut hat euch nur zu unsrer Qual geschaffen!
Die Sehnsucht wird hier nicht mit eitler Pracht belästigt!
Er liebet sie, sie ihn, dies macht den Heirat-Schluß.
Die Eh wird oft durch nichts als beider Treu befestigt,
Für Schwüre dient ein Ja, das Siegel ist ein Kuß.
Die holde Nachtigall grüßt sie von nahen Zweigen,
Die Wollust deckt ihr Bett auf sanft geschwollnes Moos,
Zum Vorhang dient ein Baum, die Einsamkeit zum Zeugen,
Die Liebe führt die Braut in ihres Hirten Schoß.
O dreimal seligs Paar! Euch muß ein Fürst beneiden,
Dann Liebe balsamt Gras und Ekel herrscht auf Seiden.
Hier bleibt das Ehbett rein; man dinget keine Hüter,
Weil Keuschheit und Vernunft darum zu Wache stehn;
Ihr Vorwitz spähet nicht auf unerlaubte Güter,
Was man geliebet, bleibt auch beim Besitze schön.
Der keuschen Liebe Hand streut selbst auf Arbeit Rosen,
Wer für sein Liebstes sorgt, findt Reiz in jeder Pflicht,
Und lernt man nicht die Kunst, nach Regeln liebzukosen,
So klingt auch Stammeln süß, ists nur das Herz, das spricht.
Der Eintracht hold Geleit, Gefälligkeit und Scherzen
Belebet ihre Küss' und knüpft das Band der Herzen.
Entfernt vom eiteln Tand der mühsamen Geschäfte
Wohnt hier die Seelen-Ruh und flieht der Städte Rauch;
Ihr tätig Leben stärkt der Leiber reife Kräfte,
Der träge Müßiggang schwellt niemals ihren Bauch.
Die Arbeit weckt sie auf und stillet ihr Gemüte,
Die Lust macht sie gering und die Gesundheit leidet;
In ihren Adern fließt ein unverfälscht Geblüte,
Darin kein erblich Gift von siechen Vätern schleicht,
Das Kummer nicht vergällt, kein fremder Wein befeuret,
Kein geiles Eiter fäult, kein welscher Koch versäuret.
Sobald der rauhe Nord der Lüfte Reich verlieret
Und ein belebter Saft in alle Wesen dringt,
Wann sich der Erde Schoß mit neuem Schmucke zieret,
Den ihr ein holder West auf lauen Flügeln bringt,
Sobald flieht auch das Volk aus den verhaßten Gründen,
Woraus noch kaum der Schnee mit trüben Strömen fließt,
Und eilt den Alpen zu, das erste Gras zu finden, Im Anfange des Maimonats brechen aus den Städten und Dörfern die Hirten mit ihrem Vieh auf und ziehen mit einer eigenen Fröhlichkeit zuerst auf die niedrigen und im Brachmonat auf die höheren Alpen.
Wo kaum noch durch das Eis der Kräuter Spitze sprießt;
Das Vieh verläßt den Stall und grüßt den Berg mit Freuden,
Den Frühling und Natur zu seinem Nutzen kleiden.
Wenn kaum die Lerchen noch den frühen Tag begrüßen
Und uns das Licht der Welt die ersten Blicke gibt,
Entreißt der Hirt sich schon aus seiner Liebsten Küssen,
Die seines Abschieds Zeit zwar haßt, doch nicht verschiebt.
Dort drängt ein träger Schwarm von schwerbeleibten Kühen,
Mit freudigem Gebrüll, sich im betauten Steg;
Sie irren langsam hin, wo Klee und Muttern blühen, Ein Kraut, das in den Weiden allen andern vorgezogen wird. Seseli foliis acute multifidis umbella purpurea . A. v. Haller: Enumeratio methodica stirpium Helvetiae indigenarum , Göttingen 1742, p. 431.
Und mähn das zarte Gras mit scharfen Zungen weg;
Er aber setzet sich bei einem Wasser-Falle
Und ruft mit seinem Horn dem lauten Widerhalle.
Wann der entfernte Strahl die Schatten dann verlängert
Und nun das müde Licht sich senkt in kühle Ruh,
So eilt die satte Schar, von Überfluß geschwängert,
Mit schwärmendem Geblök gewohnten Ställen zu.
Die Hirtin grüßt den Mann, der sie mit Lust erblicket,
Der Kinder muntrer Schwarm frohlockt und spielt um ihn,
Und ist der süße Schaum der Euter ausgedrücket,
So sitzt das frohe Paar zu schlechten Speisen hin.
Begierd und Hunger würzt, was Einfalt zubereitet,
Bis Schlaf und Liebe sie umarmt ins Bett begleitet.
Wann von der Sonne Macht die Wiesen sich entzünden
Und in dem falben Gras des Volkes Hoffnung reift,
So eilt der muntre Hirt nach den betauten Gründen,
Eh noch Aurorens Gold der Berge Höh durchstreift.
Aus ihrem holden Reich wird Flora nun verdränget,
Den Schmuck der Erde fällt der Sense krummer Lauf,
Ein lieblicher Geruch, aus tausenden vermenget,
Steigt aus der bunten Reih gehäufter Kräuter auf;
Der Ochsen schwerer Schritt führt ihre Winter-Speise,
Und ein frohlockend Lied
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