Die alte Jungfer (German Edition)
hätte.
Um die problematische Existenz des Chevaliers zu erklären, muß der Chronist, dem die Wahrheit, diese grausame Geliebte, das Messer an die Kehle setzt, bekennen, daß Alençon unlängst nach den ruhmreich traurigen Julitagen erfahren mußte, daß die Summe, die Monsieur de Valois beim Spiel zu gewinnen pflegte, sich vierteljährlich auf ungefähr einhundertfünfzig Taler belief und daß der geistreiche Chevalier den Mut gehabt hatte, sich selbst seine Leibrente zuzuschicken, um in einem Lande, wo man das Habet liebt, nicht ohne Hilfsquellen zu erscheinen. Viele seiner Freunde – man beachte, daß er schon tot war – bestritten diese Behauptung steif und fest, hielten sie für eine Fabel und blieben dabei, daß der Chevalier ein achtbarer, würdiger Edelmann gewesen sei, den die Liberalen verleumdeten. Zum Glück für diese durchtriebenen Spieler gibt es in der Galerie immer Leute, die ihnen Beistand leisten. Sie leugnen hartnäckig ein Unrecht, weil sie sich schämen, ihm Vorschub geleistet zu haben; man betrachte dies nicht als Eigensinn, die Leute wissen, was sie ihrer Würde schuldig sind. Die Regierungen gehen ihnen mit gutem Beispiel in dieser Tugend voran, welche darin besteht, ihre Toten bei Nacht und Nebel zu begraben, ohne das ›Tedeum‹ ihrer Niederlagen zu singen. Wenn sich der Chevalier also wirklich diesen gerissenen Streich erlaubt haben sollte, der ihm übrigens sicherlich die Achtung des Chevaliers de Grammont, ein Lächeln des Barons de Faeneste, einen Händedruck des Marquis de Monçada eingetragen hätte, war er darum weniger der liebenswürdige Gast, der geistreiche Mann, der unverwüstliche Spieler, der reizende Erzähler, der das Entzücken von Alençon ausmachte? Inwiefern ist überhaupt diese Handlungsweise, die unter dem Gesetz des freien Willens steht, mit den eleganten Sitten eines Edelmanns unvereinbar? Wenn soundso viele Leute genötigt sind, andern Renten auszuzahlen, was ist natürlicher, als daß man seinem besten Freunde freiwillig eine zukommen läßt? Aber Laios ist tot... Nach etwa fünfzehn Jahren einer solchen Lebensweise hatte der Chevalier zehntausend und einige hundert Francs zusammengebracht. Bei der Wiederkehr der Bourbonen hatte ihm ein alter Freund, der Marquis de Pombreton, ehemaliger Leutnant bei den schwarzen Musketieren, wie man sagt, zwölfhundert Pistolen, die der Chevalier ihm geborgt hatte, damit er emigrieren könne, zurückgegeben. Dieses Ereignis erregte Aufsehen; es wurde späterhin den vom ›Constitutionel‹ erfundenen Spöttereien über die Art, wie manche Emigranten ihre Schulden bezahlten, entgegengehalten. Wenn jemand diesen edlen Zug des Marquis de Pombreton gegen den Chevalier erwähnte, errötete dieser bis zu seiner rechten Seite. Jedermann freute sich damals für Monsieur de Valois, welcher zu den Geldleuten ging und sich mit ihnen darüber beriet, wie er diesen Rest seines Vermögens verwenden solle. Er setzte seine Hoffnung auf die Restauration und legte das Geld in Staatspapieren an zu einer Zeit, da die Renten sechsundfünfzig Francs fünfundzwanzig Centimes betragen. Die Messieurs de Lenoncourt, de Navarreins, de Verneuil, de Fontaine und de La Billardière, mit denen er, wie er sagte, bekannt war, verschafften ihm eine Pension von hundert Talern aus der Schatulle des Königs und schickten ihm das Kreuz des heiligen Ludwig. Niemals erfuhr man, auf welche Weise der alte Chevalier zu dieser Auszeichnung gekommen war; aber es steht fest, daß das Patent des Kreuzes des heiligen Ludwig ihn befugte, sich auf Grund seiner in den katholischen Armeen des Westens geleisteten Dienste den Titel eines Oberst a.D. beizulegen. Außer seiner fingierten Leibrente, um die sich niemand mehr kümmerte, hatte der Chevalier also verbürgtermaßen tausend Francs Einkünfte. Trotz dieser Verbesserung seiner Lage änderte er in nichts seine Lebensweise oder seine Manieren; nur daß das rote Band sich prachtvoll auf seinem kastanienbraunen Rock ausnahm und sozusagen die Physiognomie des Edelmanns vervollständigte. Vom Jahre 1802 an verschloß der Chevalier seine Briefe mit einem sehr alten goldenen Siegel, das schlecht graviert war, aber auf dem die Castéran, die d'Esgrignon, die Troisville sehen konnten, daß sein Wappen in zwei Hälften geteilt war und auf der einen den Balkenstreifen in rotem Felde, auf der andern fünf goldene durchbrochene Rauten, die zu einem Kreuz zusammengefügt waren, führte; das Wappenbild hatte ein schwarzes Haupt mit
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