Die alte Jungfer (German Edition)
dünnen Beine, der schmächtige Körper und der fahle Teint des Monsieur de Valois keine robuste Gesundheit verrieten, so aß er nichtsdestoweniger wie ein Menschenfresser und behauptete, wahrscheinlich um seinen ungeheuren Appetit zu entschuldigen, an einer Krankheit zu leiden, die man in der Provinz mit dem Namen »hitzige Leber« bezeichnet. Die flammende Röte bestätigte solche Behauptungen; allein, wo die Mahlzeiten aus dreißig oder vierzig Gerichten bestehen und vier Stunden dauern, muß man den Magen des Chevaliers als eine Wohltat betrachten, mit der die Vorsehung diese gute Stadt begnadet hatte. Nach der Meinung einiger Ärzte deutete die linksseitige Röte auf ein zu weites Herz.
Das galante Leben des Chevaliers machte diese wissenschaftlichen Feststellungen, für die sich der Historiker zum Glück nicht sonderlich verantwortlich fühlt, sehr wahrscheinlich. Trotz dieser Symptome war Monsieur de Valois von nerviger, infolgedessen äußerst lebhafter Natur. Wenn seine Leber hitzig war, so brannte sein Herz nicht weniger stark, um eine alte Redewendung zu gebrauchen. Wenn sein Gesicht einige Runzeln aufwies und seine Haare mit Silberfäden durchzogen waren, so erkannte ein kundiger Beobachter darin die Merkmale der Leidenschaft und die Spuren des Vergnügens. In der Tat waren die Krähenfüße und Stirnrunzeln von der eleganten Art, die am Hofe der Cythera so geschätzt wird. Alles ließ bei dem koketten Chevalier auf den Frauenhelden, den »ladies man«, wie die Engländer sagen, schließen: er wusch sich so sorgfältig, daß es ein Vergnügen war, seine Wangen anzuschauen; sie schienen mit einem wunderkräftigen Wasser abgerieben zu sein. Der Teil des Kopfes, den die Haare nicht mehr bedecken wollten, glänzte wie Elfenbein. Seine Brauen wie seine Haare täuschten durch die Regelmäßigkeit, die ihnen der Kamm verliehen hatte, die Jugend vor. Seine Haut, die schon von Natur so weiß war, schien durch irgendein Geheimmittel noch, weißer geworden zu sein. Ohne daß der Chevalier von Parfüm Gebrauch gemacht hätte, strömte er einen erfrischenden Duft von Jugendlichkeit aus. Seine Hände waren gepflegt wie die einer Modepuppe und zogen den Blick durch die Form ihrer rosigen Nägel auf sich. Kurz, ohne seine überragende, an Größe unvergleichliche Nase, hätte man ihn zierlich nennen können.
Doch kann man nicht umhin, dieses Porträt durch das Eingeständnis einer Schwäche zu beeinträchtigen: der Chevalier stopfte Watte in seine Ohren und trug überdies zwei kleine, sehr kunstvoll gearbeitete Ohrringe, die in Diamant gefaßte Negerköpfe darstellten; doch legte er so großen Wert darauf, daß er dieses eigentümliche Anhängsel mit der Behauptung rechtfertigte, seitdem seine Ohrläppchen durchstochen seien, habe er keine Migräne mehr; er hatte also an Migräne gelitten. Wir geben den Chevalier also keineswegs für das Idealbild eines Mannes aus; im übrigen, muß man nicht den alten Junggesellen, denen soviel Blut vom Herzen ins Gesicht schießt, ein paar solche entzückend lächerliche Absonderlichkeiten, die vielleicht auf zarten Geheimnissen beruhen, nach sehen?
Der Chevalier de Valois machte übrigens diese Negerköpfe durch so viele andere Vorzüge wieder wett, daß die Gesellschaft sich dafür genügend entschädigt finden sollte. Er gab sich wirklich große Mühe, seine Jahre zu verbergen und seinen Bekannten zu gefallen. Da war in erster Linie die außerordentliche Sorgfalt, die er auf seine Wäsche verwandte, dieses einzige Mittel, mit dem sich heutzutage Leute von guter Lebensart in ihrer Kleidung auszeichnen können! Die des Chevaliers war stets von aristokratischer Feinheit und Weiße. Was seinen Rock anging, so war er zwar immer abgetragen, aber von bemerkenswerter Sauberkeit, ohne Flecken und Falten, Die Konservierung seiner Kleidungsstücke grenzte sogar ans Wunderbare für diejenigen, die die saloppe Gleichgültigkeit des Chevaliers für diese Seite der Mode bemerkten; er ging zwar nicht so weit, sie mit einem Stück Glas abzuschaben, ein Verfahren, das vom Prinzen von Wales erfunden worden ist; immerhin setzte Monsieur de Valois seine ihm eigene Geckenhaftigkeit darein, die Grundelemente hoher englischer Eleganz nachzuahmen, was von den Leuten von Alençon wohl kaum gebührend gewürdigt werden konnte. Ist die Welt nicht denen Achtung schuldig, die sich ihretwegen so sehr in Unkosten stürzen? Handeln solche Leute nicht nach jener schwierigsten Vorschrift des Evangeliums, die
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