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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Monsieur de Valois erntete die Früchte seines Mißgeschicks: man deckte ihm den Tisch in den ersten Häusern Alençons und lud ihn zu allen Abendgesellschaften ein. Seine Talente als Spieler, Erzähler, liebenswürdiger und guter Gesellschafter waren so geschätzt, daß alles verfehlt schien, wenn er nicht zugegen war. Die Hausherren und die Damen konnten seine gutheißende Kennermiene nicht missen. Wenn der alte Chevalier zu einer jungen Frau auf einem Balle sagte: »Sie sind zum Entzücken gekleidet!«, so beglückte dieses Lob sie mehr als der Neid ihrer Rivalin. Monsieur de Valois war der einzige, der gewisse Wendungen der alten Zeit in der richtigen Weise aussprechen konnte. Die Worte ›mein Herz, mein Juwel, mein liebes Kind, meine Königin‹, alle die verliebten Kosenamen der Jahre um 1770, gewannen in seinem Munde einen unwiderstehlichen Reiz; kurz, er hatte das Vorrecht der Superlative. Seine Komplimente, mit denen er übrigens geizte, verschafften ihm die Gunst der alten Damen; sie schmeichelten aller Welt, selbst den Herren der Verwaltung, die er nicht brauchte. Sein Betragen beim Spiel war von einer Vornehmheit, die man überall anerkannt hatte. Er beklagte sich nie, er lobte seine Gegner, wenn sie verloren; er unternahm niemals, seine Partner zu erziehen, indem er ihnen zeigte, wie sie ihre Trümpfe hätten ausspielen sollen. Wenn sich beim Kartenmischen langatmige, abstoßende Auseinandersetzungen entspannen, zog der Chevalier mit einer Gebärde, die Molés würdig gewesen wäre, seine Tabaksdose hervor, betrachtete die Fürstin Goritza, öffnete würdevoll den Deckel, nahm seine Prise zwischen die Finger, hob sie in die Höhe, rieb sie, formte sie zu Klümpchen; wenn dann die Karten ausgegeben waren, hatte er die Höhlen seiner Nase vollgestopft und die Fürstin, immer zur Linken, in seine Westentasche gesteckt. Nur ein Edelmann des ›guten‹ Zeitalters – im Gegensatz zum ›großen‹ Zeitalter – konnte dieses Mittelding zwischen einem geringschätzigen Stillschweigen und einer boshaften Bemerkung, die nicht verstanden worden wäre, zuwege bringen. Er nahm mit den Stümpern fürlieb und wußte seinen Vorteil aus ihnen zu ziehen. Sein entzückender Gleichmut entlockte vielen die Äußerung: »Ich bewundere den Chevalier de Valois!« Seine Unterhaltung, seine Manieren, alles an ihm schien, wie seine Person, blond zu sein. Er bemühte sich, weder bei Herren noch Damen Anstoß zu erregen. Gleicherweise nachsichtig gegen organische Fehler wie geistige Defekte, hörte er mit Hilfe der Fürstin Goritza geduldig die Leute an, die ihm ihre kleinen Leiden des Provinzlebens vortrugen: das schlecht gekochte Frühstücksei, die sauer gewordene Salme im Kaffee, possierliche Einzelheiten, die die Gesundheit betrafen, das plötzliche Auffahren aus dem Schlaf, die Träume, die Besuche. Der Chevalier verfügte über einen schmachtenden Blick, ein klassisches Mienenspiel, um Mitleid zu fingieren, so daß er ein köstlicher Zuhörer war. Er konnte ein ›Ach!‹, ein ›Was!‹, ein ›Wie ging das zu?‹ im richtigen Moment verblüffend vorbringen. Er starb, ohne daß jemand auf den Verdacht gekommen wäre, daß er, während er diese albernen Ergüsse über sich ergehen ließ, sich die glühendsten Kapitel seines Romans mit der Fürstin Goritza ins Gedächtnis zurückrief. Hat man jemals bedacht, welche Dienste ein erloschenes Gefühl der Gesellschaft leisten kann, in welchem Maße die Liebe der Gesellschaft zugute kommt und ihr nützlich ist? Dies kann zur Erklärung dienen, warum der Chevalier, trotz seiner beständigen Gewinne, der Liebling der Stadt blieb, denn er verließ niemals einen Salon, ohne ungefähr sechs Livres gewonnen zu haben. Daß er verlor, kam sehr selten vor, und dann machte er immer viel Aufhebens davon. Alle, die ihn gekannt haben, gestehen ein, daß sie nirgends, selbst nicht im Ägyptischen Museum in Turin, eine so nette Mumie gesehen hätten. In keinem Lande der Welt nimmt das Schmarotzertum so angenehme Formen an. Nie hat sich der konzentrierteste Egoismus dienstfertiger, weniger verletzend gezeigt als bei diesem Edelmann; er war so viel wert wie eine aufopfernde Freundschaft. Wenn jemand Monsieur de Valois um eine kleine Gefälligkeit bat, die diesen Mühe gekostet hätte, so verließ dieser Jemand den guten Chevalier niemals, ohne von ihm entzückt zu sein, in keinem Fall aber ohne die Überzeugung, daß er in der Sache nichts tun könne oder sie durch seine Einmischung verdorben

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