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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hedwig Appelt
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bleiben und es bewohnen, die anderen aber weggeschickt werden. Damit verabschiedete sich Herakles von Frau und Kindern und verließ die Höhle, in der die Söhne heranwuchsen, bis sie alt genug waren, sich der väterlichen Prüfung zu stellen. Zwei waren nicht imstande, die ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen und wurden von ihrer Mutter daraufhin aus dem Land gewiesen. Der Jüngste aber, mit Namen Skythes, bestand die Prüfungen und blieb im Land. Von diesem Heraklessohn stammen der Sage nach sämtliche Könige der Skythen ab.
    Auch die Prinzen Plynos und Skolopitos, die hier geboren wurden an einem dieser Tage, an denen ein heftiger Nordwind über das Land fegte und den Schnee über die vereisten Ufer des Tanais trieb. Wolken und Nebel verdunkelten das ganze Jahr über die Sonne, daher auch der Name „Schwarzes Meer“. Es war schwer, hier zu überleben und noch schwerer, ein Kind zu bekommen und am Leben zu erhalten. Viele skythische Frauen starben unter der Geburt oder unmittelbar danach. Und ihre Säuglinge brauchten Energie und Glück: Als Nomadenkinder hatten sie kein wärmendes, schützendes Haus um sich. Die Gefahr war groß, ein Opfer von Kälte oder Raubtieren zu werden, von denen das gefürchteteste der kaukasische Tiger war.
    Aber Plynos und Skolopitos hatten das Glück und den Willen zu überleben. Sie wuchsen hinein in die skythische Kultur, die von einer einzigen Sicht auf die Welt geprägt war: der des Eroberers auf die Eroberten. Sie wurden groß in einem Reitervolk, das mit |21| seinem Vorrücken in den europäisch-asiatischen Steppenraum gewaltige Herrschaftsumbildungen und Zerstörungen mit sich brachte. Keine Macht der damaligen Welt konnte der Schnelligkeit ihres Angriffs und Rückzuges etwas entgegensetzen, weil die Nutzung des Pferdes als Reittier im Krieg noch gänzlich unbekannt war. Darüber hinaus beherrschten die Skythen meisterhaft die Technik, auf ihren schnellen, wendigen Pferden die Fernwaffen Pfeil und Bogen präzise einzusetzen. Das zu lernen war ein wesentliches Ausbildungsziel für die beiden Prinzen. Wer skythischer König werden wollte, musste seine berittenen Krieger anführen können. Er musste der beste Reiter, der sicherste Schütze und der erfolgreichste Krieger sein – das heißt: möglichst viele Feinde oder eben solche, die seinem Expansionsstreben in die Quere kamen, getötet haben. Für solch kriegerischen Ruhm gab es eine unübersehbare Bemessungsgrundlage: den Skalp. Sobald die jungen Skythenkrieger ihren ersten Feind getötet und sein Blut getrunken hatten, lernten sie das Skalpieren. Sie schlugen dem Toten den Kopf ab, machten rings um die Ohren einen Einschnitt und schüttelten den Kopf heraus. Dann kratzten sie mit einer Rinderrippe das Fleisch von der Kopfhaut, gerbten sie mit den Händen und knüpften die Trophäe an die Zügel ihres Reitpferdes. Wer die meisten vorzeigen konnte, war der Tapferste. Viele skythische Krieger „nutzten“ ihre Feinde noch anderweitig: Sie zogen die Haut der rechten Hand samt der Fingernägel ab und machten daraus Überzüge für ihre Köcher. Oder sie häuteten die Leiche komplett und verarbeiteten die Menschenhaut, die in ihren Augen das kostbarste Leder war – fest, weiß und glänzend –, zu wetterfesten Umhängen. Auch der Schädel fand, gesäubert und unterhalb der Augenbrauen abgesägt, als Trinkschale Verwendung. Arme Leute spannten außen nur Rindsleder herum, die Wohlhabenden vergoldeten den Schädel im Innern. Eines der großen skythischen Feste, bei denen solch vergoldete Schädel herumgereicht wurden, war der Leichenschmaus zu Ehren eines Verwandten. Hatte der frisch Verstorbene bei guter Gesundheit |22| ein hohes Alter erreicht, galt sein Tod als ehrenvoll und wurde entsprechend zelebriert: Die herbeigeeilten Verwandten schlachteten zunächst etliches Kleinvieh, zerteilten dann den Toten und kochten aus beidem zusammen den Leichenschmaus, den alle gemeinsam verzehrten.
    Die Techniken, Menschen zu schlachten, hingen ab von der Verwendung, die dem Toten zugedacht war. In einem Initiationsritual, das die jungen Skythen zu Kriegern machte, kam es auf sein Blut an. Als Trophäe nahmen sie seine Haut. In ehrenvoller Einverleibung sein Fleisch. Und als Menschenopfer in der Ausübung ihres Kultes waren das Blut und die Zerstückelung des Körpers maßgeblich.
    Die oberste Gottheit der Skythen, in deren Kult man die Prinzen Plynos und Skolopitos früh einweihte, war ein altes, eisernes Schwert. Diesem Schwert opferten

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