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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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beschwichtigen die beiden keineswegs. Die kleine Hinkende springt ihm auf den Rücken und packt ihn an den Flügeln, während die Große seinen Kopf zwischen ihre Mandibeln nimmt. Und so schleifen sie das Männcheni n Richtung Deponie.
    Nr. 327 wehrt sich. Mit seinem Segment für sexuelle Dialoge stößt er alle möglichen Emotionen aus, die die Geschlechtslosen nicht einmal kennen. Sein Unverständnis weicht der Panik.
    Um nicht von diesen »abstrakten« Gedanken besudelt zu werden, schabt ihm die Hinkende, die immer noch auf seinem Rücken sitzt, mit ihren Mandibeln die Antennen ab. Dadurch beraubt sie ihn aller Pheromone und vor allem seines »Passes«.
    Dort, wo sie es hinbringen, wird er ihm ohnehin nicht mehr viel nutzen …
    Das unheimliche Trio schleppt sich durch die einsamsten Gänge. Die kleine Hinkende setzt systematisch ihre Säuberungsaktion fort. Anscheinend will sie keinerlei Information auf diesem Kopf lassen. Das Männchen wehrt sich nicht mehr. Resigniert bereitet es sich darauf vor, zu entschlummern, indem es seinen Herzschlag verlangsamt.
     
    »Brüder, warum all diese Gewalt, warum all dieser Haß?
    Warum?
    Eins sind wir, eins, wir sind allesamt Kinder der Erde und Gottes.
    Lassen wir von unserem eitlen Streiten ab. Das 22.
    Jahrhundert wird ein Jahrhundert im Geiste sein oder gar nichts. Verzichten wir auf unsere alten Zwistigkeiten, die sich auf Stolz und Falschheit gründen.
    Der Individualismus, das ist der wahre Feind! Ein Bruder leidet Not, und ihr laßt ihn Hungers sterben, ihr seid nicht mehr würdig, der großen Gemeinschaft der Welt anzugehören. Ein in die Irre gegangenes Geschöpf bittet euch um Hilfe und Beistand, und ihr schlagt ihm die Tür zu. Ihr gehört nicht zu den Unsern.
    Ich kenne euch, ihr mit eurem ruhigen, in Seide gepacktem Gewissen! Ihr denkt nur an eure persönliche Bequemlichkeit, ihr wünscht nur den individuellen Ruhm. Glück ja, aber nur das eure und das eurer Nächsten. Ich sage, ich kenne euch. Dich, dich, und dich! Hört auf, vor euren Bildschirmen zu lächeln, ich rede von ernsten Dingen zu euch. Ich rede von der Zukunft der Menschheit. Das kann so nicht andauern. Dieser Lebensweg hat keinen Sinn. Wir verschwenden, zerstören alles. Die Wälder werden gerodet, um wegwerfbare Taschentücher herzustellen. Alles ist wegwerfbar geworden: Geschirr, Federhalter. Kleidung, Fotoapparat. Fahrzeuge. Und ohne daß ihr es merkt, werdet auch ihr wegwerfbar. Verzichtet auf diese oberflächliche Lebensform. Verzichtet noch heute darauf, bevor man euch morgen dazu zwingt.
    Kommt zu uns, reiht euch in unser Heer von Getreuen ein.
    Wir sind alle Soldaten Gottes, Bruder.«
    Das Bild einer Ansagerin. »Diese Sendung des Evangelismus wurde für Sie übertragen im Auftrag von Pater Mac Donald von der Neuen Adventistenkirche des 45. Tages und von der Firma für Gefriergut ›Sweetmilk‹. Sie wurde über Satellit in alle Welt ausgestrahlt. Und jetzt, vor unserer Serie ›Außerirdisch und stolz, es zu sein‹, noch ein wenig Werbung.«
    Im Gegensatz zu Nicolas vermochte Lucie vor dem Fernseher nicht völlig abzuschalten. Acht Stunden war Jonathan nun da unten, und immer noch keine Nachricht!
    Ihre Hand langte nach dem Telefon. Er hatte gesagt, sie solle nichts unternehmen, aber wenn er nun tot war oder unter Schutt begraben?
    Sie hatte noch nicht den Mut, in den Keller zu gehen. Sie hob den Hörer ab und wählte den Polizeinotruf.
    »Hallo, ist dort die Polizei?«
    »Ich hatte dich gebeten, nicht anzurufen«, sagte eine schwache und tonlose Stimme, die aus der Küche kam.
    »Papa! Papa!«
    Sie legte auf, während es aus dem Hörer noch klang: »Hallo, reden Sie, geben Sie uns Ihre Adresse.« Klack.
    »Aber ja, klar doch, ich bin’s, ihr brauchtet euch keine Sorgen zu machen. Ich hab doch gesagt, ihr sollt ruhig auf mich warten.«
    Sich keine Sorgen machen? Der hatte Nerven! Jonathan hatte auf dem Arm, was von Ouarzazate übriggeblieben war, ein blutiger Klumpen Fleisch. Und auch er selbst war verändert, wie verklärt. Er war keineswegs bedrückt, er erschien sogar eher heiter. Nein, nicht heiter, wie sollte man es nennen? Man hatte den Eindruck, er sei gealtert oder er sei krank. Seine Augen blickten fiebrig, seine Haut war aschfahl, er zitterte und wirkte abgehetzt.
    Nicolas brach in Tränen aus, als er den zerhackten Körper seines Hundes sah. Man hätte meinen können, der arme Pudel sei mit Rasiermessern zerfetzt worden.
    Sie legten ihn auf eine ausgebreitete

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