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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Zeitung.
    Nicolas weinte bitterlich über den Verlust seines Freundes.
    Es war vorbei. Nie wieder würde er ihn gegen die Wand springen sehen, wenn man »Katze« sagte. Nie wieder würde er sehen, wie er mit einem fröhlichen Hüpfer eine Türklinke herunterdrückte. Nie wieder würde er ihn vor den großen homosexuellen Schäferhunden retten müssen.
    Es gab keinen Ouarzazate mehr.
    »Morgen bringen wir ihn zum Hundefriedhof von PèreLachaise«, meinte Jonathan resignierend. »Wir kaufen ihm dieses Grab zu viertausendfünfhundert Francs, an dem man ein Foto von ihm anbringen kann.«
    »Ja! Au ja!« sagte Nicolas schluchzend. »Das ist das mindeste, was er verdient.«
    »Und danach gehen wir zum Tierschutzverein, und da suchst du dir einen anderen Hund aus. Was hältst du von einem kleinen Malteser? Die sind auch sehr niedlich.«
    Lucie konnte es immer noch nicht fassen. Sie wußte nicht, was sie als erstes fragen sollte. Warum war er so lange fortgeblieben? Was war mit dem Hund geschehen? Und was mit ihm selbst? Wollte er etwas essen? Hatte er nicht bedacht, wieviel Angst sie um ihn haben mußten?
    »Was gibt es denn da unten?« fragte sie schließlich mit matter Stimme. »Nichts, nichts.«
    »Guck dir doch an, in welchem Zustand du zurückgekommen bist! Und der Hund … Der sieht aus, als wäre er durch den Fleischwolf gedreht worden. Was ist mit ihm passiert?«
    Jonathan wischte sich mit seiner schmutzigen Hand über die Stirn.
    »Der Notar hatte recht, es wimmelt von Ratten da unten.
    Ouarzazate ist von ihnen in Stücke gerissen worden.«
    »Und du?«
    Er grinste.
    »Ich bin ein großes Tier, vor mir haben sie Angst.«
    »Das ist doch verrückt! Was hast du denn acht Stunden lang da unten getrieben? Was ist in diesem verdammten Keller?«
    brauste sie auf.
    »Ich weiß es nicht genau. Ich bin nicht ganz hinuntergestiegen.«
    »Du bist nicht ganz hinuntergestiegen?«
    »Nein, das ist sehr, sehr tief.«
    »In acht Stunden hast du es nicht bis zum Ende … zum Ende unseres Kellers geschafft?«
    »Nein. Ich bin nicht mehr weitergegangen, als ich den Hund gefunden habe. Da war überall Blut. Weißt du, Ouarzazate hat sich verzweifelt gewehrt. Es ist unglaublich, daß ein so kleiner Hund so lange standhalten kann.«
    »Und wie weit bist du gekommen? Bis zur Hälfte?«
    »Woher soll ich das wissen? Jedenfalls konnte ich nicht mehr weiter. Ich hatte auch Angst. Du weißt, ich kann Dunkelheit und Gewalt nicht ausstehen. Jeder an meiner Stelle wäre umgekehrt. Man kann nicht ewig ins Ungewisse gehen.
    Außerdem habe ich an dich, an euch denken müssen. D u kannst dir nicht vorstellen, wie das da ist … Das ist so finster.
    Das ist der Tod.«
    Bei seinen letzten Worten erfaßte ein Zucken seinen linken Mundwinkel. So hatte sie ihn noch nicht erlebt. Sie erkannte, daß sie ihn nicht noch mehr bedrängen durfte. Sie legte ihre Arme um seine Taille und küßte seine kalten Lippen.
    »Beruhige dich, es ist vorbei. Wir werden diese Tür zumauern, und dann reden wir nicht mehr davon.«
    Er wich zurück.
    »Nein. Es ist nicht vorbei. Ich habe mich da unten von diesem Blut abschrecken lassen. Jeder wäre zurückgeschreckt.
    Gewalt erschreckt einen immer, selbst wenn sie sich gegen Tiere richtet. Aber ich kann jetzt nicht aufgeben, vielleicht ganz kurz vor dem Ziel …«
    »Du willst doch nicht etwa dahin zurück?«
    »Doch. Edmond ist dahin gegangen, also werde ich es auch.«
    »Edmond? Dein Onkel Edmond?«
    »Er hat irgend etwas da unten gemacht, und ich will wissen, was.«
    Lucie unterdrückte ein Stöhnen.
    »Bitte, um meinet-und um Nicolas’ willen, geh nicht mehr da runter.«
    »Ich habe keine Wahl.«
    Wieder hatte er dieses Zucken am Mundwinkel.
    »Ich habe immer alles nur halb gemacht. Immer bin ich stehengeblieben, wenn mir mein Verstand sagte, daß Gefahr droht. Sieh doch, was aus mir geworden ist. Ein Mann, der zwar der Gefahr aus dem Weg gegangen ist, der es aber auch zu nichts gebracht hat. Nie bin ich den Dingen auf den Grund gegangen, weil ich ständig auf halbem Weg stehengeblieben bin. Ich hätte weiter als Schlosser arbeiten sollen, und wenn ich überfallen worden wäre, Pech für den Boß. Das wäre eine Art Feuertaufe gewesen, ich hätte die Gewalt erlebt und gelernt, mit ihr umzugehen. Statt dessen bin ich wie ein Baby ohne jede Erfahrung, weil ich Schwierigkeiten immer ausgewichen bin.«
    »Du spinnst.«
    »Nein, ich spinne nicht. Man kann nicht ewig in Watte leben.
    Dieser Keller ist die Gelegenheit, den

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