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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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den anderen.
    Das Denken vereint sich. Die Gedanken werden nicht mehr kodiert oder dekodiert. Sie werden in ihrem Zustand ursprünglicher Schlichtheit überreicht: Bilder, Musik, Gefühle, Düfte.
    Und in dieser ganz und gar unmittelbaren Sprache erzählt das 327. Männchen dem 56. Weibchen sein ganzes Abenteuer: die Vernichtung der Expedition, die Duftspuren der Zwerginnen, sein Treffen mit der Mutter, wie man versucht hat, ihn auszuschalten, den Verlust seines Duftausweises, sein Kampf mit der Pförtnerin, die Killerinnen mit dem Felsengeruch, die immer noch hinter ihm her sind.
    Kaum ist die AK beendet, zieht sie ihre Antennen zum Zeichen des Wohlwollens zurück. Er steigt von ihrem Rücken.
    Jetzt ist er ihr ausgeliefert, sie kann ihm mühelos den Garaus machen. Sie kommt näher. Mandibeln weit aufgesperrt, und …
    überträgt ihm einige ihrer »Paß«-Pheromone. Damit ist er vorläufig aus dem Schneider. Sie schlägt ihm eine Trophallaxie vor. Er willigt ein. Dann läßt sie ihre Flügel kreisen, um sämtliche Ausdünstungen ihrer Unterhaltung zu verwehen.
    Endlich. Er hat es geschafft, jemand zu überzeugen. Die Information ist angekommen, ist von einer anderen Zelle verstanden, akzeptiert worden.
    Er hat seine Arbeitsgruppe gegründet.
     
    ZEIT: Die Wahrnehmung des Ablaufs der Zeit ist bei Menschen und Ameisen völlig verschieden. Für die Menschen ist die Zeit absolut. Die Dauer einer Sekunde ist stets und immer wieder gleich, einerlei, was passiert.
    Bei den Ameisen hingegen ist die Zeit relativ. Wenn es warm ist, sind die Sekunden sehr kurz. Wenn es kalt ist, dehnen sie sich endlos in die Länge, bis hin zum winterlichen Bewußtseinsverlust.
    Diese elastische Zeit verleiht ihnen eine Wahrnehmung der Geschwindigkeit der Dinge, die sich von unserer grundlegend unterscheidet. Um eine Bewegung zu definieren, zählt für die Insekten nicht nur der Raum und die Zeit, sie fügen eine dritte Dimension hinzu: die Temperatur.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens
     
    Fortan sind sie zu zweit darum bemüht, möglichst viele Schwestern von der Bedeutung der »Affäre der zerstörerischen Geheimwaffe« zu überzeugen. Es ist noch nicht zu spät. Sie müssen jedoch zwei Punkte in Betracht ziehen. Zum einen wird es ihnen vor dem Fest der Wiedergeburt, das sämtliche Energien in Anspruch nehmen wird, nicht gelingen, genügend Arbeiterinnen auf ihre Seite zu ziehen. Sie brauchen also einen dritten Komplizen. Zum andern müssen sie Vorsorge treffen für den Fall, daß die Kriegerinnen mit dem Felsenduft wieder auftauchen. Sie brauchen ein Versteck.
    Nr. 56 schlägt ihr Gemach vor. Sie hat dort einen Geheimgang gegraben, der ihr im Notfall die Flucht ermöglicht. Nr. 327 ist nicht sonderlich überrascht. Das ist zur Zeit schwer in Mode, Geheimgänge zu graben. Angefangen hat das vor hundert Jahren, während des Krieges gegen die Leimspuckerinnen. Eine Königin einer föderierten Stadt, Ha-yekte-duni, hatte sich in einen Sicherheitswahn gesteigert. Sie hatte sich eine »gepanzerte« verbotene Stadt bauen lassen. Die Seitenwände waren mit dicken Kieselsteinen bewehrt, die wiederum mit Termitenzement zusammengefügt waren!
    Das Problem war, daß es nur einen Ausgang gab. So daß sie in ihrem eigenen Palast festsaß, als ihre Stadt von den Einheiten der leimspuckenden Ameisen umzingelt wurde. Die Leimspuckerinnen hatten keine Schwierigkeiten, sie zu fangen und in ihrem ekelhaften, schnell trocknenden Klebstoff zu ersticken. Die Königin Ha-yekte-duni wurde in der Folge gerächt und ihre Stadt befreit, aber ihr schreckliches und dummes Ende prägte auf lange Zeit das Denken der Belokanerinnen.
    Da die Ameisen das ungeheure Glück haben, mit einem Mandibelhieb die Form ihrer Behausung zu verändern, begann jeder, seinen Geheimgang zu bohren. Eine Ameise, die ihr Loch gräbt, das mag noch angehen, aber wenn sich eine Million daranmacht, ist das eine Katastrophe. Die »offiziellen«
    Gänge brachen zusammen, so sehr waren sie von den
    »Privatgängen« unterhöhlt. Man benutzte seinen Geheimgang und landete dabei in einem wahren Labyrinth, das von »denen der anderen« gebildet wurde. Das ging so weit, daß ganze Viertel baufällig wurden und sogar die Zukunft von Bel-o-kan gefährdet war.
    Belo-kiu-kiuni hatte dem einen Riegel vorgeschoben.
    Niemand durfte mehr auf eigene Faust graben. Aber wie sollte man sämtliche Gemächer kontrollieren?
    Nr. 56 schiebt einen kleinen Stein zur Seite, der eine dunkle

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