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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Geruch von zwei Kriegerinnen wahr, die ihm entgegenkommen. Eine große und eine kleine. Und der Kleinen fehlen zwei Beine …
    Sie saugen aus der Ferne gegenseitig ihre Düfte auf.
    Unglaublich, das ist das Männchen!
    Unglaublich, das sind die beiden!
    Nr. 327 nimmt schleunigst Reißaus, um sie abzuhängen. Er kreist durch dieses dreidimensionale Labyrinth. Er verläßt die Verbotene Stadt. Die Pförtnerinnen halten ihn nicht auf, da sie nur darauf programmiert sind, zu verhindern, daß jemand von draußen nach drinnen eindringt. Seine Beine treten jetzt auf lockeren Boden. Er nimmt Kurve um Kurve.
    Aber die beiden anderen sind auch sehr schnell und lassen sich nicht abschütteln. In diesem Moment rempelt das Männchen eine mit einem Grashalm beladene Arbeiterina n und stößt sie um. Das war keine Absicht, aber die Killerinnen mit dem Felsenduft werden in ihrem Schwung gebremst.
    Er muß diese Atempause ausnutzen. Er versteckt sich schnell in einer Spalte. Die Hinkende nähert sich. Er zwängt sich noch ein wenig weiter in sein Versteck.
     
    »Wo ist er hin?«
    »Er ist wieder unten.«
    »Wie, wieder unten?«
    Lucie nahm Augustas Arm und führte sie zu der Kellertür. »Seit gestern abend steckt er da drin.«
    »Und er ist immer noch nicht zurück?«
    »Nein, ich weiß nicht, was da unten vorgeht, aber er hat mir strikt verboten, die Polizei anzurufen … Er ist schon ein paarmal da runtergegangen, und er ist jedesmal zurückgekommen.«
    Augusta war verblüfft.
    »Das ist verrückt! Sein Onkel hat es ihm doch ausdrücklich verboten …«
    »Jetzt nimmt er schon Berge von Werkzeugen mit, Stahlteile, große Betonplatten. Keine Ahnung, was er sich da unten zurechtbastelt …«
    Lucie schlug die Hände vors Gesicht. Sie war am Ende, sie spürte, daß sie wieder depressiv wurde.
    »Und wir können ihm nicht nachgehen und ihn suchen?«
    »Nein. Er hat ein Schloß angebracht und von innen abgeschlossen.«
    Augusta setzte sich mit betretener Miene.
    »O wei, o wei … Wenn ich gewußt hätte, daß Edmonds Geist soviel Scherereien macht …«
     
    SPEZIALISTEN: Die über Millionen von Jahren vollzogene Arbeitsaufteilung in den großen modernen Ameisen Städten hat genetische Mutationen erzeugt.
    So kommen bestimmte Ameisen mit riesigen, scherenförmigen Mandibeln zu Welt, um Soldaten zu werden; andere haben stumpfe Mandibeln, um Getreidemehl herzustellen; wieder andere sind mit hochentwickelten Speicheldrüsen ausgestattet, um die jungen Larven zu befeuchten und zu desinfizieren.
    Das ist ein wenig so, als kämen bei uns die Soldaten mit Fingern in Form von Messern zur Welt, die Bauern mit zangenartigen Füßen, damit sie die Obstbäume hinaufklettern können, die Ammen mit zehn Brüsten.
    Aber von allen »berufsbedingten« Mutationen ist die der Liebe am eindrucksvollsten. Damit sich die Masse der Arbeiterinnen nicht durch erotische Triebe ablenken läßt, werden sie geschlechtslos geboren. Sämtliche Fortpflanzungsorgane sind auf Spezialisten konzentriert: Männchen und Weibchen, die Prinzen und Prinzessinnen dieser parallelen Zivilisation.
    Jene kommen einzig der Liebe wegen zur Welt, einzig zu diesem Zweck sind sie ausgerüstet. Sie verfügen über allerlei »Zubehör«, das ihnen bei ihrer Paarung dienlich ist. Das geht von den Flügeln über die zum Senden und Empfangen abstrakter Emotionen fähigen Antennen bis hin zu den Infrarot-Ozellen.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens
     
    Das Versteck ist keine Sackgasse, es führt zu einer kleinen Grotte. Nr. 327 kriecht hinein. Die Kriegerinnen mit dem Felsenduft gehen vorbei, ohne es zu entdecken. Die Grotte ist jedoch nicht unbewohnt. Jemand ist darin, warm und duftend.
    Jemand, der deutlich, klipp und klar wissen will:
    »Wer sind Sie?«
    Dank seiner Infrarot-Ozellen nimmt das Männchen das Tier wahr, das ihn befragt. Ein großes Tier, das schätzungsweise neunzig Sandkörner wiegt. Mindestens. Aber eine Soldatin ist das nicht. Das ist etwas, was es bislang noch nie gerochen, noch nie gesehen hat.
    Ein Weibchen.
    Und was für ein Weibchen! Feine Härchen, angenehm mit Sexualhormonen versehen, zieren die anmutig geschwungenen Beine. Die kräftigen Antennen knistern vor starken Düften. Die Augen mit den roten Reflexen sind wie Blaubeeren. Sie hat einen wuchtigen, glatten, stromlinienförmigen Hinterleib.
    Einen breiten Brustschild, darüber ein wunderbar körniges Mesotonum. Und schließlich lange Flügel, doppelt so groß wie seine.
    Das

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