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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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umsonst geboren. Welch unerträgliches Scheitern …
    Die Eintagsfliege wehrt sich. Das ist das Problem mit den Spinnweben: Wenn man sich bewegt, ist man erst recht dran, doch wenn man sich nicht bewegt, kommt man auch nicht davon …
    Die Spinne eilt herbei und verpaßt ihr ein paar Extrafäden.
    Damit hätte sie also eine doppelt fette Beute, die ihr die nötigen Proteine liefern wird, um gleich morgen ein zweites Netz zu spinnen. Aber als sie sich erneut anschickt, ihr Opfer einzuschläfern, nimmt sie ein ganz anderes Vibrieren wahr. Ein
    … intelligentes Vibrieren. Tip tip tiptiptip, tip tip tiptip. Ein Weibchen! Es bewegt sich auf einem Faden, und es klopft darauf, um ein Signal zu geben: Ich bin dein, ich komme nicht, um deine Nahrung zu stehlen.
    Das Männchen hat noch nie etwas so Erotisches verspürt wie dieses Vibrieren. Tip tip tiptiptip. Ah, es hält es nicht mehr aus, es läuft auf sein Liebchen zu (ein blutjunges Ding, das sich erst viermal gehäutet hat, während es das Männchen auf zwölfmal bringt). Es ist dreimal so groß wie das Männchen, aber das ist jenem gerade recht, er liebt die Dicken. Er deutet auf die beiden Opfer, mit denen sie später neue Kräfte schöpfen können.
    Dann begeben sie sich in Position, um sich zu paaren. Das ist bei der Spinne recht kompliziert. Das Männchen hat keinen Penis, sondern eine Art doppeltes Genitalgeschütz. In aller Eile errichtet es eine Zielscheibe, ein Mininetz, und bespritzt es mit seinen Keimzellen. Es befeuchtet eines seiner Beine daran und steckt es in das Rezeptakulum des Weibchens. Das macht es mehrmals in starker Erregung. Die junge Schönheit hat sich ihrerseits in eine solche Selbstvergessenheit gesteigert, daß sie sich plötzlich nicht mehr beherrschen kann, sie packt den Kopf des Männchens und zerbeißt ihn.
    Da wäre es dumm, nicht auch den Rest zu verzehren. Nun gut, kaum fertig, hat sie immer noch Hunger. Sie stürzt sich auf die Eintagsfliege und macht deren Leben noch kürzer. Dann wendet sie sich der Ameisenkönigin zu, die angesichts der nächsten Spritze in Panik gerät und anfängt zu zappeln.
    Kein Zweifel. Nr. 56 hat Glück, denn der Auftritt einer weiteren Figur, die geräuschvoll am Horizont her auftaucht, kehrt alles um. Es handelt sich wieder um eines dieser Tiere aus dem Süden, die sich kürzlich nach Norden ausgebreitet haben. Ein recht dickes Tier, ehrlich gesagt, ein einhörniger Maikäfer oder auch Coleopterus rhinoceros. Er rauscht mitten in das Netz, dehnt es, als wäre es Leim …, und zerreißt es. Ein Netz von 95:10, das hält gut, solange man nicht übertreibt. Das schöne Seidendeckchen zerplatzt in wehende Strähnen und Fetzen.
    Das Spinnenweibchen hat sich bereits an seinem Faden abgeseilt. Die Ameisenkönigin, von ihrer weißen Zwangsjacke befreit, krabbelt unauffällig über den Boden, unfähig, wieder abzuheben.
    Aber die Spinne ist mit den Gedanken woanders. Sie klettert einen Ast hinauf, um dort eine seidene Krippe zu bauen, in der sie ihre Eier legen wird. Wenn ihre Dutzende von Jungen schlüpfen, werden sie nichts Eiligeres zu tun haben, als ihre Mutter aufzufressen. So ist das bei den Spinnen, da kennt man kein Dankeschön.
     
    »Bilsheim!«
    Er riß den Hörer zur Seite, als wäre er von einem Tier gestochen worden. Seine Chefin … Solange Doumeng.
    »Ja?«
    »Ich hatte Ihnen Anweisungen erteilt, und Sie haben noch nichts getan. Was treiben Sie? Wollen Sie warten, bis die ganze Stadt in diesem Keller verschwunden ist? Ich kenne Sie, Bilsheim, Sie denken nur daran, sich auszuruhen! Ich kann Faulpelze nicht ausstehen! Und ich verlange, daß Sie diese Angelegenheit binnen achtundvierzig Stunden klären!«
    »Aber, Madame …«
    »Nichts da, kein ›aber Madame‹! Ihre Leute haben Anweisung von mir erhalten, Sie brauchen bloß morgen früh mit ihnen da runterzugehen, das nötige Gerät ist an Ort und Stelle. Also, bewegen Sie Ihr faules Hinterteil, verdammt noch mal!«
    Er fühlte sich plötzlich gestreßt. Seine Hände zitterten. Er war kein freier Mann. Warum mußte er gehorchen? Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, um nicht von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Der einzige Weg, wie er sich jetzt und hier seine Freiheit vorstellen konnte, bestand darin, sich als Clochard zu präsentieren, und dafür fühlte er sich noch nicht bereit. Sein Ordnungssinn und seine Sozialisation gerieten in Fehde mit seinem Wunsch, sich nicht dem Willen anderer zu beugen. Und auf dem Schlachtfeld, das heißt in

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