Die Ameisen
»Großen«. Was hatte das zu bedeuten? Wenn der da bloß nicht die Verstecke der schwangeren Weibchen in Brand steckte!
Nicolas setzte seinen Abstieg fort, er rannte so schnell, daß er die Ratten nicht einmal bemerkt hatte … Stufen, immer nur Stufen, und seltsame Inschriften, die er diesmal bestimmt nicht lesen würde. Plötzlich ein Geräusch (flap, flap). Er spürte etwas. Eine Fledermaus klammerte sich an seine Haare. Er versuchte sich loszumachen, aber das Tier schien mit seinem Schädel verwachsen zu sein. Er wollte es mit seiner Fackel verscheuchen, versenkte sich aber nur ein paar Haarsträhnen.
Er schrie und lief weiter. Die Fledermaus saß wie ein Hut auf seinem Kopf. Sie flatterte erst davon, nachdem sie ihm ein wenig Blut abgenommen hatte.
Nicolas spürte seine Müdigkeit nicht mehr. Keuchend, Herz und Schläfen pochend, daß sie fast platzten, rannte er plötzlich gegen eine Mauer. Er stürzte, rappelte sich sofort wieder hoch.
Seine Fackel brannte noch. Er richtete die Flamme auf die Mauer.
Das war wirklich eine Mauer. Besser noch: Nicolas erkannte die Beton-und Stahlplatten, die sein Vater mit sich geschleppt hatte. Und die Zementfugen waren noch frisch.
»Papa, Mama, antwortet mir, wenn ihr da seid!«
Aber nein, nichts, nur das nervtötende Echo. Diese Mauer, er hätte schwören können, daß die sich öffnete, denn so war das in den Filmen, und außerdem war da keine Tür.
Was steckte hinter dieser Mauer? Schließlich fand er eine Inschrift: Wie bildet man vier gleichseitige Dreiecke mit sechs Streichhölzern?
Und genau darunter war ein kleiner Bildschirm mit Tasten angebracht. Die Tastatur enthielt keine Zahlen, sondern Buchstaben. Vierundzwanzig Buchstaben, mit denen man das Lösungswort oder den Lösungssatz eingeben konnte.
»Man muß anders denken«, sagte er laut. Er war selbst verdutzt, denn der Satz war ganz von selbst gekommen. Er überlegte lang, ohne es zu wagen, die Tastatur zu berühren. Es folgte ein inneres Schweigen, ein völliges Schweigen, das jegliches Denken verhinderte. Das ihn jedoch unerklärlicherweise dazu brachte, eine Folge von acht Buchstaben einzugeben.
Das leise Surren eines Mechanismus war zu vernehmen, und dann … dann schwenkte die Mauer herum! Aufgeregt, zu allem bereit, schritt Nicolas voran. Aber kurz darauf schlug die Mauer wieder zu; der Luftzug, der dabei entstand, löschte den Fackelstummel, der ihm noch verblieben war.
Völlig verwirrt, von tiefster Finsternis umgeben, machte Nicolas kehrt. Aber auf dieser Seite der Mauer gab es keine Tastatur. Keine Rückkehr möglich. Er brach sich die Nägel an den Beton-und Stahlplatten ab. Sein Vater hatte gute Arbeit geleistet, er war nicht umsonst Schlosser.
SAUBERKEIT: Gibt es etwas Saubereres als eine Fliege? Sie putzt sich ständig, weil das für sie keine Pflicht, sondern ein Bedürfnis ist. Wenn ihre Antennen und Facettenaugen nicht makellos sauber sind, erkennt sie die ferne Nahrung nicht und sieht niemals die Hand, die hinuntersaust, um sie zu zerquetschen. Die Sauberkeit ist ein wesentliches Moment des Überlebens bei den Insekten.
Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens Am nächsten Morgen lauteten die Schlagzeilen der Boulevardpresse:
»Der unheimliche Keller in Fontainebleau hat wieder zugeschlagen! Ein weiterer Vermißter: der einzige Sohn der Familie Wells. Was macht die Polizei?«
Die Spinne blickt vom Gipfel ihres Farns hinab. Er ist sehr hoch. Sie schwitzt einen Tropfen flüssiger Seide aus, klebt ihn an das Blatt, bewegt sich zum Rand des Zweiges vor und springt ins Leere. Ihr Fall dauert eine Weile. Der Faden dehnt sich und dehnt sich, dann trocknet er, verhärtet sich und fängt sie auf, kurz bevor sie den Boden erreicht. Fast wäre sie zerquetscht worden wie eine reife Beere. Viele ihrer Schwestern haben sich wegen einer unerwarteten Kälte, die die Verhärtung der Seide verzögert, bereits zu Tode gestürzt.
Die Spinne bewegt ihre acht Beine, um das Gleichgewicht zu erlangen, dann streckt sie sie aus, und es gelingt ihr, sich auf ein Blatt zu schwingen. Das wird der zweite Verankerungs-punkt ihres Netzes sein. Sie klebt das Ende ihres Fadens fest.
Aber mit nur einer Schnur kommt man nicht weit. Sie erblickt einen Baumstamm zu ihrer Linken, läuft auf ihn zu. Noch ein paar Äste und ein paar Sprünge, dann hat sie es geschafft, sie hat ihre Trägerfäden befestigt, die dazu dienen, den Druck des Windes und der Beute abzufangen. Das Ganze bildet
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