Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Küche zurück. Auch die Kellnerin sah er, wie sie sich die Hände an der Schürze abwischte, während sie auf einen Gast zuging. Was er trinken wolle? Wer? Vorderhand nichts, war die Antwort. Das Kind hatte die Tür zum Gastzimmer zugemacht.
»Jetzt sind wir allein«, sagte Hertha. Bloch schaute auf das Kind, das am Fenster stand und aufs Nachbarhaus schaute. »Das zählt nicht«, sagte sie. Bloch faßte das als Ankündigung auf, daß sie ihm etwas sagen wollte, aber dann merkte er, daß sie damit gemeint hatte, er könnte zu reden anfangen. Bloch fiel nichts ein. Er sagte etwas Obszönes. Sie schickte das Kind sofort hinaus. Er legte die Hand neben sie. Sie fuhr ihn leise an. Er ergriff sie grob am Arm, ließ aber gleich wieder los. Draußen auf der Straße traf er das Kind, das mit einem Strohhalm in dem Verputz an der Hauswand bohrte.
Er schaute durch das offene Fenster in das Nachbarhaus. Auf einem Schragen erblickte er den Toten; daneben stand schon der Sarg. In einer Ecke saß auf einem Schemel eine Frau und tunkte Brot in einen Mostkrug; auf der Bank hinter dem Tisch lag ein junger Bursche auf dem Rücken und schlief; auf seinem Bauch lag eine Katze.
Als Bloch das Haus betrat, rutschte er im Flur fast auf einem Holzscheit aus. Die Bäuerin kam an die Tür, er trat ein und unterhielt sich mit ihr. Der Bursche hatte sich aufgesetzt, sprach aber nicht; die Katze war hinausgelaufen. »Er hat die ganze Nacht Wache halten müssen!« sagte die Bäuerin. Am Morgen habe sie den Burschen ziemlich angetrunken gefunden. Sie drehte sich nach dem Toten um und betete. Zwischendurch wechselte sie das Wasser für die Blumen aus. »Es ist ganz schnell gegangen«, sagte sie, »wir haben das Kind wecken müssen, damit es schnell in den Ort hinein läuft.« Das Kind habe aber dann dem Pfarrer nicht einmal sagen können, was passiert sei, und die Glocke sei nicht geläutet worden. Bloch merkte, daß der Raum schon geheizt wurde; nach einiger Zeit nämlich war das Holz im Ofen zusammengefallen. »Hol noch etwas Holz herein!« sagte die Bäuerin. Der Bursche kam mit einigen Holzscheiten zurück, die er links und rechts in der Hand trug, und ließ sie neben den Ofen fallen, daß es staubte.
Er setzte sich hinter den Tisch, und die Bäuerin warf die Scheite in den Ofen. »Ein Kind ist uns von Kürbissen erschlagen worden«, sagte sie. Vor dem Fenster gingen zwei alte Frauen vorbei und grüßten herein; auf dem Fensterbrett erblickte Bloch eine schwarze Handtasche; sie war gerade erst gekauft worden, noch nicht einmal das hineingestopfte Papier hatte man herausgenommen. »Auf einmal hat er aufgeschnarcht und ist gestorben«, sagte die Bäuerin.
Bloch konnte in die Wirtsstube gegenüber sehen, wo die Sonne, die schon ziemlich tief stand, so weit hineinschien, daß der untere Teil desRaums, vor allem die frisch eingelassenen Fußbodenbretter und die Beine der Stühle, Tische und Personen an ihrer ganzen Oberfläche wie von selber leuchteten; in der Küche erblickte er den Sohn des Gutsbesitzers, der, an die Tür gelehnt, die Arme über der Brust, auf einige Entfernung zu der Pächterin hin sprach, die wohl noch immer am Tisch saß. Je tiefer die Sonne sank, desto tiefer und weiter entfernt kamen auch Bloch diese Bilder vor. Er konnte nicht wegschauen; erst die Kinder; die auf der Straße hin und her liefen, verscheuchten den Eindruck. Ein Kind kam dann mit einem Blumenstrauß herein. Die Bäuerin steckte den Strauß in ein Trinkglas und stellte das Glas an das Fußende des Schragens. Das Kind blieb stehen. Nach einiger Zeit gab ihm die Bäuerin eine Münze, und das Kind ging hinaus.
Bloch hörte ein Geräusch, als sei jemand im Fußboden eingebrochen. Es war aber wieder nur das Holz im Ofen zusammengefallen. Sobald Bloch sich nicht mehr mit der Bäuerin unterhielt, hatte der Bursche sich auf der Bank ausgestreckt und war wieder eingeschlafen. Später kamen einige Frauen und beteten den Rosenkranz. Von der schwarzen Tafel vor dem Lebensmittelladen wischte jemand die Kreideschrift ab und schrieb dafür: Orangen, Karamellen, Sardinen. Im Raumwurde leise gesprochen, draußen lärmten die Kinder. Eine Fledermaus hatte sich im Vorhang verfangen; durch das Geschrei geweckt, war der Bursche aufgesprungen und hatte sich sofort daraufgestürzt, aber die Fledermaus war schon hinausgeflogen.
Es war eine Dämmerung, in der niemand Lust hatte, das Licht anzuzünden.
Nur die Wirtsstube gegenüber wurde durch die eingeschaltete Musicbox ein
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