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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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in die Rippen, und er ließ los. Ein paar andere packten Bloch und schleiften ihn hinaus. Auf der Straße nahmen sie ihn in den Schwitzkasten und führten ihn so hin und her. Vor dem Zollwachehaus blieben sie mit ihm stehen, drückten seinen Kopf gegen die Klingel und gingen weg.
    Ein Zollwachebeamter kam heraus, sah Bloch stehen und ging wieder hinein. Bloch lief den Burschen nach und riß von hinten einen um. Die andern stürzten sich auf ihn. Bloch wich aus und stieß einem den Kopf in den Bauch. Aus dem Wirtshaus kamen ein paar nach. Jemand warf ihm einen Mantel über den Kopf. Er traf ihn ans Schienbein, aber ein zweiter knüpfte schon die Ärmel zusammen, Jetzt schlugen sie ihn schnell nieder und gingen ins Wirtshaus zurück.
    Bloch befreite sich von dem Mantel und lief ihnen nach. Einer blieb stehen, ohne sich umzudrehen. Bloch rannte ihn an; sofort ging der Bursche weiter, und Bloch fiel zu Boden.
    Nach einiger Zeit stand er auf und ging ins Wirtshaus hinein. Er wollte etwas sagen, aber als er die Zunge bewegte, schlug das Blut im Mund Blasen. Er setzte sich an einen Tisch und zeigte mit einem Finger, daß man ihm etwas zu trinken bringen solle. Die andern am Tisch kümmerten sich nicht um ihn. Die Kellnerin brachte ihm eine Flasche Bier ohne Glas. Er glaubte, auf dem Tisch kleine Fliegen hin und her laufen zu sehen, aber es war nur Zigarettenrauch.
    Er war zu schwach, die Bierflasche mit einerHand zu heben; so umklammerte er sie mit beiden Händen und beugte sich vor, um sie nicht zu hoch anheben zu müssen. Seine Ohren waren so empfindlich, daß eine Zeitlang nebenan die Karten nicht auf den Tisch fielen, sondern geknallt wurden, und an der Theke der Schwamm nicht ins Spülbecken fiel, sondern klatschte; und das Kind der Pächterin, mit Holzpantoffeln an den nackten Füßen, ging nicht durch das Gastzimmer, sondern klapperte durch das Gastzimmer, der Wein rann nicht, sondern gluckerte in die Gläser, und die Musicbox spielte nicht, sondern dröhnte.
    Er hörte eine Frau vor Schreck aufschreien, aber ein Aufschrei einer Frau in der Wirtsstube hatte keine Bedeutung; also konnte die Frau gar nicht vor Schreck aufgeschrien haben. Trotzdem war er durch den Schrei aufgefahren; nur wegen des Geräusches, so schrill hatte die Frau geschrien.
    Nach und nach verloren auch die anderen Einzelheiten ihre Bedeutung: der Schaum in der leeren Bierflasche sagte ihm ebensowenig wie die Zigarettenschachtel, die ein Bursche neben ihm gerade so weit aufriß, daß er mit den Fingernägeln eine Zigarette herausziehen konnte. Auch die abgebrannten Streichhölzer, die überall in den lockeren Bodenleisten steckten, beschäftigten ihn nicht mehr, und die Fingernägeleindrücke im Kittan den Fensterrahmen kamen ihm nicht mehr so vor, als hätten sie etwas mit ihm zu tun. Alles ließ ihn jetzt kalt, stand wieder auf seinem Platz; wie im Frieden, dachte Bloch. Aus dem ausgestopften Auerhahn über der Musicbox brauchte man keine Schlüsse mehr zu ziehen; auch die schlafenden Fliegen an der Zimmerdecke spielten auf nichts mehr an.
    Man sah, wie ein Bursche sich mit den Fingern die Haare kämmte, man sah Mädchen rückwärts zum Tanzen gehen, man sah Burschen aufstehen und sich die Röcke zuknöpfen, man hörte die Karten schmatzen, wenn sie gemischt wurden, aber man mußte sich dabei nicht mehr aufhalten.
    Bloch wurde müde. Je müder er wurde, desto klarer nahm er alles wahr, unterschied eins vom andern. Er sah, wie die Tür immer offenblieb, wenn einer hinausging, und er sah immer wieder einen aufstehen und die Tür wieder zumachen. Er war so müde, daß er jeden Gegenstand für sich sah, vor allem die Umrisse, als ob es von den Gegenständen nur die Umrisse gebe. Er sah und hörte alles unvermittelt, ohne es erst, wie früher, in Worte übersetzen zu müssen oder es überhaupt nur als Worte und Wortspiele zu erfassen. Er war in einem Zustand, in dem ihm alles natürlich vorkam.
    Später setzte sich die Pächterin zu ihm, und erlegte so selbstverständlich den Arm um sie, daß es ihr gar nicht aufzufallen schien. Er warf ein paar Münzen in die Box, als ob nichts wäre, und tanzte ohne weiteres mit der Pächterin. Er bemerkte, daß sie jedesmal, wenn sie zu ihm etwas sagte, seinen Namen dazusagte.
    Es war nichts mehr dabei, daß er die Kellnerin mit der Hand die andere Hand halten sah, auch an den dicken Vorhängen war nichts Besonderes mehr, und es war selbstverständlich, daß immer mehr Leute weggingen. Beruhigt hörte man, wie sie

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