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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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hörte, aber nicht sah. Aus einem Gebüsch flog ein schwerer Vogel auf. In einem Holzverschlag hörte man Hühner scharren und mit den Schnäbeln innen gegen die Bretterwand klopfen. »Eigentlich gibt es keine Regel«, sagte der Zollwachebeamte. »Man ist ja immer im Nachteil, weil der andere einen ebenso beobachtet und sieht, wie man auf ihn reagieren wird. Man kann immer nur reagieren. Und wenn er zu laufen anfängt, wird er schon nach dem ersten Schritt die Richtung ändern, und man hat selber auf dem falschen Fuß gestanden.«
    Inzwischen waren sie wieder auf die asphaltierte Straße gekommen und näherten sich dem Ortseingang. Sie traten hier und da auf aufgeweichtes Sägemehl, das von dem Regen bis auf die Straße geweht worden war. Bloch fragte sich, ob der Zollwachebeamte deswegen so ausführlich von etwas redete, das man auch mit einem Satz erledigen konnte, weil er damit etwas anderes sagen wollte. ›Er hat auswendig gesprochen!‹ dachte Bloch. Er fing an, zur Probe seinerseits lang und breit über etwas zu reden, für das man sonst einen einzigen Satz brauchte, aber der Zollwachebeamte schien das für ganz selbstverständlich zu halten und fragte ihn, worauf er damit hinauswolle. Also schien der Zollwachebeamte das, was er früher gesagt hatte, ganz wörtlich gemeint zu haben. Schon mitten im Ort kamen ihnen die Teilnehmer eines Tanzkurses entgegen. ›Tanzkurs‹? Auf was spielte dieses Wort wieder an? Ein Mädchen hatte im Vorbeigehen etwas in ihrer ›Handtasche‹ gesucht,und ein anderes hatte Stiefel mit hohem ›Schaft‹ getragen. Waren das Abkürzungen für etwas? Er hörte, wie hinter ihm die Handtasche zugeklappt wurde; beinahe hätte er als Antwort den Schirm zusammengefaltet.
    Er begleitete den Zollwachebeamten mit dem Schirm zum Gemeindebau hinaus. »Bis jetzt habe ich die Wohnung nur gemietet, aber ich spare auf eine Eigentumswohnung«, sagte der Zollwachebeamte, schon im Stiegenhaus. Bloch war ebenfalls eingetreten. Ob er auf einen Schnaps mitkommen wolle? Bloch lehnte ab, blieb aber stehen. Während der Beamte noch hinaufstieg, ging das Licht wieder aus. Bloch lehnte sich an die Briefkästen unten. Draußen, ziemlich hoch, flog ein Flugzeug vorbei. »Das Postflugzeug!« rief der Zollwachebeamte im Finstern herunter und drückte auf den Lichtknopf. Es hallte im Stiegenhaus. Bloch war schnell hinausgegangen. Im Gasthof hörte er, es sei eine große Reisegesellschaft eingetroffen, die man auf Feldbetten in der Kegelbahn einquartiert habe; deswegen sei es dort heute ruhig. Bloch fragte das Mädchen, das ihm diese Auskunft gegeben hatte, ob sie mit ihm hinaufkommen wolle. Sie antwortete ernsthaft, das sei heute nicht möglich. Später, im Zimmer, hörte er sie draußen den Gang entlanggehen und an seiner Tür vorbeilaufen. ImZimmer war es von dem Regen so kalt, daß es ihm vorkam, man hätte überall feuchte Sägespäne hingestreut. Er legte den Schirm mit der Spitze voran in das Waschbecken und legte sich angezogen aufs Bett.
    Bloch wurde schläfrig. Er machte ein paar müde Gesten, die die Schläfrigkeit lächerlich machen sollten, aber gerade dadurch wurde er noch schläfriger. Einiges, was er am Tag gesagt hatte, fiel ihm wieder ein; er versuchte es mit dem Ausatmen loszuwerden. Dann spürte er, wie er einschlief; wie vor dem Ende eines Absatzes, dachte er. Fasane flogen durchs Feuer, und Treiber gingen ein Maisfeld entlang, und der Hausbursche stand in der Abstellkammer und schrieb mit Kreide die Zimmernummer auf seine Aktentasche, und ein blattloser Dornbusch war voll von Schwalben und Schnecken.
    Er wurde allmählich wach und bemerkte, daß jemand im Nebenzimmer laut atmete und daß sich aus dem Rhythmus des Atmens bei ihm im Halbschlaf Sätze bildeten; das Ausatmen hörte er als ein langgedehntes ›Und‹, und das lange Geräusch des Einatmens verwandelte sich dann bei ihm in die Sätze, die sich jeweils nach einem Gedankenstrich, welcher der Pause zwischen Ausatmen und Einatmen entsprach, an das ›Und‹ anschlossen.Soldaten standen mit spitzen Ausgehschuhen vor dem Kino, und die Streichholzschachtel wurde auf die Zigarettenschachtel gelegt, und auf dem Fernseher stand eine Blumenvase, und ein Lastwagen mit Sand staubte am Autobus vorbei, und ein Autostopper hielt in der andern Hand ein Büschel Weintrauben, und vor der Tür sagte jemand: »Aufmachen bitte!«
    »Aufmachen bitte!« Diese beiden letzten Wörter paßten gar nicht zu dem Atmen nebenan, das jetzt immer deutlicher wurde,

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